Antibiotikaresistenz ­oraler Bakterien

Einfluss des orales Mikrobioms

Resistenzen gegen antibiotische Wirkstoffe sind ein zunehmendes Problem in der modernen Medizin. Sie verursachen schwere Komplikationen bei der Behandlung von Infektionen und sind für etwa 1,2 Millionen Todesfälle pro Jahr weltweit verantwortlich.

Die Mikroorganismen der großen Mikrobiome unseres Körpers, zu welchen auch das orale Mikrobiom zählt, spielen für den Austausch von Genen und damit auch als Reservoir für mögliche Resistenzen eine zentrale Rolle. Die Integrität der Gewebe unserer Mundhöhle ist ein wichtiger Parameter für den gesamten Organismus und für unsere Lebensqualität.

Einfluss auf systemische Faktoren lange unterschätzt

Der Einfluss des oralen Mikrobioms auf systemische Faktoren wurde viele Jahre unterschätzt und begrenzt auf die lokalen Strukturen wie Zähne, Parodontium und Mundschleimhaut betrachtet.

Erkrankungen wie Karies, Gingivitis, Parodontitis und Stomatitis wurden bestimmte Leitkeime als Auslöser und Betreiber zugeordnet, die Interaktionen zwischen den verschiedenen Spezies der oralen Biozönosen und mit dem wirtseigenen Zellstoffwechsel aber lange unterschätzt.

Nicht nur die Zahngesundheit ist in Gefahr: Eine orale Dysbiose kann durch die offenen Verbindungen zwischen Mundhöhle, Gastrointestinaltrakt und Atemwegen und nicht zuletzt bakteriämisch über das Blutgefäßsystem sowohl die inneren Organe, wie das Herz/Kreislaufsystem, die Lungen, den Darm, die Leber, die Nieren, als auch das Nervensystem beeinträchtigen und schädigen.

Unkontrollierter Antibiotikaeinsatz fördert Resistenzbildung

Nach Angaben der FDI werden fast 75 Prozent aller Antibiotika im niedergelassenen Bereich, 10 Prozent davon von Zahnärzten, verschrieben. Veränderungen des oralen Mikrobioms werden allerdings durch jede, gegen welche Erkrankung auch immer gerichtete systemische Antibiose ausgelöst. Das Medikament ist in seiner Wirkung nicht auf den eigentlichen Zielort beschränkt, sondern betrifft immer den gesamten Organismus und damit auch die mikrobielle Lebewelt der Mundhöhle. Ursachen für die Begünstigung einer Resistenzbildung sind hinlänglich bekannt.

Risiko Breitbandantibiotika

An erster Stelle steht die unreflektierte Gabe von Breitbandantibiotika. Die verursachenden Erreger werden, sowohl im allgemeinmedizinischen als auch im zahnärztlichen Bereich, nur selten auf ihre Sensibilität auf die verordneten Wirkstoffe getestet, die meisten Gaben erfolgen rein empirisch. Auch „Vorsichtshalber-Gaben“ bei eigentlich viralen Infektionen wie grippalen Infekten wirken sich zwar nicht begünstigend auf Behandlung dieser Erkrankung aus, verändern aber die Komposition und das Sensibilitätsspektrum der Spezies der oralen Biozönose. Zudem werden Mindestdosierung und die Dauer der Medikation von den Patienten häufig nicht eingehalten oder die vom letzten Mal übrig gebliebenen Antibiotika in Eigenregie selbstverordnet.

Antibiotika in der Zahnarztpraxis

Auch in der Zahnarztpraxis ist eine adjuvante Antibiotikagabe bei bestimmten Indikationen wie aggressiver Parodontitis, Abszessen oder Wurzelgranulomen eine gängige Praxis. Die antibiotische Begleittherapie wird allerdings erheblich erschwert, wenn die an sich schon mit potenten Virulenzfaktoren ausgestatteten Keime eines destabilisierten Mikrobioms auch noch Resistenzen gegen antibiotische Wirkstoffe entwickeln.

Biofilme als Reservoir für Resistenzgene

  • Ein gängiger Fehler, der neben den bereits genannten Faktoren eine Resistenzentstehung fördert, ist eine Antibiotikagabe bei aggressiver Parodontitis ohne zeitlichen Konnex zu einer mechanischen Reinigung der Zahnfleischtaschen.
  • Die subgingivalen Mikroorganismen sind in Biofilmen organisiert. Das Antibiotikum kann nur in verringerter Konzentration zu den durch eine organische Matrix geschützten Keimen vordringen.
  • Die Wirksamkeit ist entsprechend abgeschwächt, der Großteil der Erreger übersteht die Antibiose weitgehend unbeschadet.
  • Die Resistenzentwicklung hingegen wird durch die Exposition zu unzureichenden Antibiotikadosen vorangetrieben.

 

Mobile genetische Elemente

Innerhalb eines Biofilms findet man gegenüber planktonisch lebenden Bakterien, wie etwa im Speichel, neben vermehrter Virulenz auch einen erhöhten Level an Antibiotikaresistenzen. Viele Resistenzgene (ARGs) liegen extrachromosomal auf mobilen genetischen Elementen, den sogenannten Plasmiden.

Diese können in der polymikrobiellen Biozönose über horizontalen Gentransfer innerartlich aber auch zwischen den unterschiedlichen Bakterienspezies ausgetauscht und weitergegeben werden. Dies betrifft allerdings nicht nur potenziell pathogene Mikroorganismen wie Prevotella intermedia, Porphyromonas gingivalis oder Aggregatibacter actinomycetemcomitans, sondern auch die an sich harmlosen Kommensalen der Mundflora.

Letztere beeinträchtigen zwar nicht die Mundgesundheit, können aber bei einem Erwerb von Resistenzgenen zu einer Gefahr für den Gesamtorganismus werden.

Mittels metagenomischer Sequenzierung von Plaqueproben wurden Resistenzprofile zur Darstellung des oralen Resistoms erstellt. Es finden sich deutliche Unterschiede in den Resistenzmustern zwischen oral Gesunden und Patienten mit Karies oder Parodontitis.

Ko- und Kreuzresistenzen erschweren die Behandlung

Neben Antibiotikaresistenzen kommen auch damit oft kombiniert auftretenden Resistenzen gegen andere Biozide zum Tragen. Die Ursache liegt in einer gemeinsamen Selektion der verantwortlichen Gene, wodurch sich Ko- und Kreuzresistenzen entwickeln.

Betroffen sind grampositive Bakterien wie Staphylococcus aureus mit seiner methicillinresistenten Form MRSA, aber zunehmend auch gramnegative Keime. In tiefen Zahnfleischtaschen findet man häufig Klebsiellaarten, Enterobacterales und Escherichia coli. Unter entsprechendem Selektionsdruck entstehen Resistenzen gegen Beta-Laktam-Antibiotika (ESBL), aber auch gegen Fluorchinolone und Sulfamethoxazol. Multiresistente gramnegative Keime (MRGN) sind unempfindlich gegen drei (3MRGN) oder sogar vier (4 MRGN) Antibiotikaklassen.

Auch unter den Anaerobiern und den fakultativ anaeroben Bakterien findet man zunehmend Lücken im Wirkungsspektrum von Clindamycin, Doxycyclin und den Makroliden.

  • Um dieser Entwicklung effektiv entgegenzuwirken, sind sowohl ein problemorientiertes und erregerspezifisches Vorgehen bei der Verschreibung von Antiinfektiva als auch eine Optimierung bei der Unterweisung der Patienten notwendig.
  • Im zahnärztlichen Bereich ermöglichen Analysen des verursachenden Keimkollektivs und Sensibilitätstests einen gezielten Einsatz von Wirkstoffen.
  • Schulungen im Rahmen des Antibiotic Stewardship sollten im niedergelassenen und vor allem auch im zahnärztlichen Bereich vermehrt angeboten werden.

Eine auf den jeweiligen Fachbereich abgestimmte Unterweisung in dieser interdisziplinären Strategie erleichtert Entscheidungen zum korrekten Einsatz von antibiotischen Wirkstoffen und trägt zur Reduktion der Resistenzentwicklung bei.

DDr. Christa Eder

ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin

Urlaub: Wichtige Änderungen für Praxisinhaber

Urlaub: Wichtige Änderungen für Praxisinhaber

aus: coliquio.de, 18. Juni 2019 (konvertierte Textversion des online-Artikels)

In den vergangenen Monaten wurden einige Gerichtsurteile zum Thema Urlaub veröffentlicht, die bei aktuellen Urlaubsanträgen berücksichtigt werden müssen. Erhalten Sie hier alle praxisrelevanten Neuerungen auf einen Blick.

Weiterlesen

Neue EU-Quecksilberverordnung ab 01.01.2018

Die neue EU-Quecksilberverordnung (Verordnung (EU) 2017/852 vom 17. Mai 2017) gilt ab dem 1. Januar 2018 in allen EU-Mitgliedstaaten.
Mit der Verordnung wird die 2013 unter dem Dach der Vereinten Nationen verabschiedete Minamata-Konvention zur Reduzierung des weltweiten Quecksilberverbrauchs zum Schutz der Umwelt auf europäischer Ebene umgesetzt. Die Minamata-Konvention verfolgt das Ziel, den Ausstoß von Quecksilber weltweit einzudämmen. Sie dient damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt dort, wo Quecksilberemissionen unmittelbar entstehen, aber auch dort, wo sie hin transportiert werden. Neben anderen Arten der Quecksilberverwendung regelt die neue EU-Verordnung insbesondere die künftige Nutzung von Dentalamalgam.

Die neue EU-Quecksilber-Verordnung enthält für die Zahnarztpraxis folgende relevante Anforderungen:

• Ab dem 1. Januar 2019 darf Dentalamalgam nur noch in vordosierter, verkapselter Form verwendet werden. Die Verwendung von Quecksilber in loser Form durch Zahnärzte ist verboten.

• Ab dem 1. Juli 2018 darf Dentalamalgam nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von Milchzähnen, von Kindern unter 15 Jahren und von Schwangeren oder Stillenden verwendet werden, es sei denn, der Zahnarzt erachtet eine solche Behandlung wegen der spezifischen medizinischen Erfordernisse bei dem jeweiligen Patienten als zwingend notwendig.

• Ab dem 1. Januar 2019 müssen Betreiber zahnmedizinischer Einrichtungen (Praxisinhaber), in denen Dentalamalgam verwendet oder Dental-amalgamfüllungen oder solche Füllungen enthaltende Zähne entfernt werden, sicherstellen, dass sie mit Amalgamabscheidern …, ausgestattet sind.
Diese Betreiber (Praxisinhaber) müssen sicherstellen, dass:

a) Amalgamabscheider, die nach dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen werden, eine Rückhaltequote von mindestens 95 % der Amalgampartikel leisten;
b) ab dem 1. Januar 2021 alle in Gebrauch befindliche Amalgamabscheider die unter Buchstabe a festgelegte Rückhaltequote leisten.

Amalgamabscheider müssen nach den Anweisungen des Herstellers gewartet werden, damit die höchste praktikable Rückhaltequote erreicht wird.
Bei Kapseln und Amalgamabscheidern, die Europäischen Normen oder anderen nationalen oder internationalen Normen entsprechen, die ein gleichwertiges Niveau in Bezug auf Qualität und Rückhaltung vorsehen, wird davon ausgegangen, dass sie diese Anforderung erfüllen.

• Zahnärzte müssen sicherstellen, dass ihr Amalgamabfall – auch Amalgamrückstände, -partikel, -füllungen und mit Dentalamalgam verunreinigte Zähne oder Teile davon – von einer zugelassenen Abfallbewirtschaftungsanlage oder einem zugelassenen Abfall-bewirtschaftungsunternehmen behandelt und gesammelt wird.
Zahnärzte dürfen derartigen Amalgamabfall unter keinen Umständen direkt oder indirekt in die Umwelt freisetzen.

Ergebnisse und Auswirkungen im Überblick:

• Amalgam bleibt als zahnmedizinischer Werkstoff erhalten.
Dentalamalgam darf ab dem 1. Januar 2019 nur noch in vordosierter, verkapselter Form verwendet werden.
Die Verwendung von Quecksilber in loser Form durch Zahnärzte ist ab dem 1. Januar 2019 verboten.
• Eingeschränktes Amalgamverbot bei Risikogruppen.
Dentalamalgam darf ab dem 1. Juli 2018 nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von Milchzähnen, von Kindern unter 15 Jahren und von Schwangeren oder Stillenden verwendet werden, es sei denn, der Zahnarzt erachtet eine solche Behandlung wegen der spezifischen medizinischen Erfordernisse bei dem jeweiligen Patienten als zwingend notwendig.
• Sichere Entsorgung von Amalgamabfällen – Amalgamabscheider.

Die in Artikel 10 Abs. 4 definierten Anforderungen an die Betriebseffizienz der Amalgam-abscheider sind grundsätzlich seit den 1990-er Jahren durch die Abwasserverordnung i. V. m. dem Anhang 50 – Zahnbehandlung in Deutschland zu erwarten.
Die in Artikel 10 Abs. 6 definierten Anforderungen an die sichere Entsorgung von Amalgamabfällen (Abfallschlüssel 18 01 10*) stellt in Deutschland ein längst etabliertes Entsorgungs-management (Entsorgung über eine Entsorgungsfirma inkl. Übernahmeschein) dar.

Den EU-Mitgliedstaaten müssen darüber hinaus Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung der Verordnung erlassen.

Quelle: LZK BW, 11/2017
Von Angelika Enderle, erstellt am 27.01.2018, zuletzt aktualisiert am 27.01.2018
Juradent-ID: 3837
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.