Rechtstipp 03/2024: Kein analoger Ansatz der GOZ-Nr. 5030 für mehrfach geschichtete, dentinadhäsiv befestigte Aufbaurestauration aus Komposit

VG München: Kein analoger Ansatz der GOZ-Nr. 5030 für mehrfach geschichtete, dentinadhäsiv befestigte Aufbaurestauration aus Komposit

Urteil vom 09.11.2023

Es gibt unterschiedliche Gerichtsurteile zu der Frage, wie mehrfach geschichtete Aufbaufüllungen oder Stumpfaufbauten aus Kompositmaterial mit adhäsiver Befestigung zu berechnen sind, was regelmäßig zu Erstattungsschwierigkeiten mit privaten Krankenversicherungen und Beihilfen führt.

In seinem Urteil vom 09.11.2023 (Az.: M 17 K 22.3863) kommt das Verwaltungsgericht (VG) München zu dem Ergebnis, dass für die Vergütung eines mehrschichtigen Aufbaus mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik als vorbereitende Maßnahme für eine Kronenversorgung die GOZ-Nrn. 2180 und 2197 anzuwenden sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der behandelnde Zahnarzt hat vorliegend für die streitgegenständliche dentinadhäsive Stumpfrekonstruktion nach § 6 GOZ die Nr. 5030 GOZ entsprechend angesetzt. Gemäß § 6 Abs. 1 GOZ können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden. Für die in Streit stehende Behandlungstechnik finden jedoch richtigerweise die Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 Anwendung.

Für Aufbaufüllungen vor Überkronungen ist in der GOZ die Gebührenziffer 2180 vorgesehen, die lautet: „Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone“. Abgegolten sind damit Exkavieren des Zahnstumpfes, ggf. Anbringen einer Matrize, Aufbringen des Aufbaumaterials (Zement, Komposit, etc.), Modellation und Formgestaltung des Materials und Ausarbeitung des Aufbaumaterials (…). Sie kann zusammen mit der GOZ-Nr. 2197 abgerechnet werden, die die „adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer, etc.)“ beinhaltet.

Hieraus folgt, dass der Wortlaut der Leistungsbeschreibung von Gebührenziffer GOZ 2180 („plastisches Aufbaumaterial“) umfassend ist, d.h. hierunter fällt grundsätzlich jedes plastische Material – auch Kompositkunststoff. Für dieses Ergebnis spricht auch die historische Auslegung: Mit der GOZ-Novelle 2012 sollte das Gebührenverzeichnis der GOZ gerade an die medizinische und technische Entwicklung angepasst werden (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 1). Aus dem Umstand, dass der Verordnungsgeber im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 bei den plastischen Füllungen im Leistungstext ausdrücklich zwischen der Ausführung ohne (GOZ 2050, 2070, 2090 und 2110) und mit (GOZ 2060, 2080, 2100 und 2120) Verwendung von Kompositmaterialien in ggf. mehrschichtiger Adhäsivtechnik unterschieden hat (vgl. amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 53), folgt, dass der Verordnungsgeber die genannte Technik gekannt hat und diese nur in den ausdrücklich genannten Fällen (GOZ 2060, 2080, 2100 und 2120) besonders hat vergüten wollen.

Zudem ist im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 die Gebührenziffer GOZ 2197 gerade angesichts der zwischenzeitlich erfolgten fortgeschrittenen technischen Entwicklung der Adhäsivtechniken und -materialien geschaffen worden, um diesen Fortschritt – insbesondere einen Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung plastischen Aufbaumaterials i.S.d. Gebührenziffer GOZ 2180 (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 54) – auch gebührentechnisch abzubilden.

Soweit es die Mehrschichttechnik anbetrifft, so handelt es sich hierbei lediglich um eine besondere Ausführung der in der Gebührenziffer GOZ 2197 enthaltenen Leistung, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ nicht gesondert berechnet werden darf (vgl. VG Augsburg, U. v. 8.2.2018 – Au 2 K 17.1291 – BeckRS 2018, 5878; PKV, Kommentierung praxisrelevanter Analogabrechnungen, Stand 19.6.2023, S. 30 f. […].“

AG Siegburg: Für die Entfernung einer alten Wurzelfüllung kann die GOZ-Nr. 2170 analog verlangt werden

Urteil vom 28.10.2016

Das Amtsgericht (AG) Siegburg kam mit Urteil vom 28.10.2016 (Az.: 102 C 118/15) zu dem Ergebnis, dass die Entfernung einer bereits vorhandenen Wurzelfüllung (Revisionsbehandlung) nach der GOZ-Nr. 2170 analog abgerechnet werden konnte.

Sachlage:

Bei einer Patientin, die die Rechnung nicht vollständig bezahlen wollte, wurde eine umfangreiche Revisionswurzelkanalbehandlung am Zahn 37 durchgeführt. Dabei enthielt die Abrechnung u.a. folgende Kostenposition:

GOZ-Nr. 2170 – Beseitigung von pysiologischen/iatrogen verursachten Penetrationshindernissen, entsprechend Par. 6 Abs. 1 GOZ der Geb.-Nr. 2170: Einlagefüllung, mehr als zweiflächig

Die Patientin vertrat die Ansicht, sie habe vom Behandler darüber aufgeklärt werden müssen, dass bei der Positionen Nr. 2170 analog GOZ die Erstattungsfähigkeit nicht gesichert sei. Mit einem hierauf gestützten Schadensersatzanspruch erklärt sie hilfsweise die Aufrechnung.

Aus der Urteilsbegründung:

Der Sachverständige hat festgestellt, dass Entfernung der alten Wurzelfüllung im Rahmen der Revisionsbehandlung medizinisch notwendig und von der GOZ-Nr. 2410 nicht erfasst sei.

Zum einen finde sich weder in dem Leistungstext noch in den Abrechnungsbestimmungen ein entsprechender Hinweis. Zudem würden die Positionen Nr. 2360 und 2300 GOZ zeigen, dass die Entfernung von Materialien und Geweben vor der eigentlichen Aufbereitung, die sich im Wurzelkanal befinden, eine eigenständige Leistung darstellten.

Zudem sei unter Berücksichtigung der Kosten für die verbrauchten Instrumente, des Zeitaufwandes und der Tatsache, dass die Leistung unter einem Dentalmikroskop erbracht wurde, die notwendige Vergleichbarkeit mit den Leistungen der Position 2170 GOZ gegeben.

Das Gericht schließt sich den plausiblen und schlüssig dargestellten medizinischen Feststellungen des Sachverständigen an und kommt auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Leistung um eine selbstständige Leistung handelt, die nach der GOZ-Nr. 2170 analog abgerechnet werden konnte. Die von der Beklagten gegen die Forderung geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.

Kein Schadensersatzanspruch aufgrund unterlassener Aufklärung

Schließlich steht der Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflicht zu, denn es fehlt an einem kausalen Schaden. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie bei einer Aufklärung – d.h. bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten – von einer Entfernung der Wurzelfüllung abgesehen hätte. Dies ist auch nicht naheliegend, da die Maßnahme nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen für einen Behandlungserfolg zwingend notwendig war.

Von Angelika Enderle, erstellt am 06.02.2017, zuletzt aktualisiert am 06.02.2017

Juradent-ID: 3688

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.

 

 

LAG Baden-Württemberg: Außerordentliche Kündigung einer Praxismitarbeiterin wegen Weitergabe von Patientendaten

Urteil vom 11.11.2016

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.11.2016 (Az.: 12 Sa 22/16) klargestellt: Verletzt eine medizinische Fachangestellte ihre arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht dadurch, dass sie Patientendaten an eine nicht berechtigte Person weitergibt, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Aus dem Sachverhalt:

Die medizinische Fachangestellte war in der Praxis der Beklagten u.a. für die Terminverwaltung zuständig.

Dort hatte eine Bekannte von ihr und ihrer Tochter einen Untersuchungstermin vereinbart und später wieder abgesagt. Die Klägerin rief darauf das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Aus dem Terminblatt war Name und Geburtsdatum der Patientin, zu untersuchender Körperbereich und damit korrespondierend das für die Untersuchung zu reservierende MRT-Gerät ersichtlich. Die Klägerin fotografierte das Terminblatt mit Hilfe ihres Smartphones und leitete das Foto, mit dem Kommentar „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ versehen, per WhatsApp an ihre Tochter weiter. Der Vater der Patientin beschwerte sich in der Praxis darüber, dass die Tochter der Klägerin im Sportverein die WhatsApp-Nachricht ihrer Mutter weitergezeigt habe.

Dem Arbeitgeber gegenüber begründete die Arzthelferin ihr Fehlverhalten damit, dass sie nicht gewusst habe, derartige Daten nicht an direkte Verwandte weiterleiten zu dürfen, sie bereue jedoch Ihre Handlung. Die Argumente ließ der Arbeitgeber nicht gelten und verwies auf die Geheimhaltungspflicht im Arbeitsvertrag und kündigte ihr fristlos. Die Klägerin erhob hieraufhin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und brachte unter anderem vor, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte.

Aus der Urteilsbegründung:

„Die Weitergabe des Patientennamens einschließlich der beabsichtigten Untersuchung (Körperbereich/MRT) wiegt so schwer, dass die Klägerin erkennen konnte, die Beklagten würden das gemeinsame Arbeitsverhältnis bei einer derartigen Vertragsverletzung beenden.

Eine Abmahnung der Klägerin hätte das Vertrauen der Beklagten in ihre Diskretion nicht wiederherstellen können. Der vertrauliche Umgang mit Patientendaten ist für eine Arztpraxis zum einen so grundlegend, dass sich jede Mitarbeiterin bewusst ist, sie stellt ihr Arbeitsverhältnis in Frage, wenn sie Daten unbefugt nach außen gibt.

Zum anderen ist der vertrauliche Umgang mit Patientendaten auch so selbstverständlich, dass ein Verstoß hiergegen das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen der Praxisbetreiber in die Diskretion seiner Angestellten besonders nachhaltig und deshalb unwiederbringlich beeinträchtigt.

Das gilt erst recht im Falle der Klägerin, die den im Arbeitsvertrag ausdrücklich aufgenommenen Passus zum Schutz der Patientendaten nur als ein Detail unter Vielen betrachtet und sich deshalb dann, wenn es darauf ankommt, nicht mehr daran erinnern kann und die den Namen der ihr bekannten Patientin ohne Not gedankenlos aus einer Laune heraus weitergibt, was eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen der Patientin deutlich macht. Eine Abmahnung der Klägerin wäre daher nicht geeignet gewesen, das verloren gegangene Vertrauen in die Diskretion der Klägerin wiederherzustellen.

Auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für die Beklagten keine geeignete Handlungsalternative. Den Beklagten war es nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende am 31. Dezember 2015 fortzusetzen. Ihr Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwog das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Kündigungsfrist.“

Von Angelika Enderle, erstellt am 17.10.2017, zuletzt aktualisiert am 18.10.2017

Juradent-ID: 3796

 

 

VG Saarland: Eine Überschreitung des Schwellenwertes setzt Besonderheiten mit Ausnahmecharakter voraus

Urteil vom 26.05.2017

Die Schwellenwertüberschreitung ist weiterhin bei der Beihilfe ein schwieriges Thema, da die Begründungen in der Regel nicht anerkannt werden.

Das Verwaltungsgericht (VG) Saarland hatte sich am 26.05.2017 (Az.: 6 K 468/16) mit der Klage eines Beihilfeberechtigten zu beschäftigen und festgestellt, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur dann zulässig ist, wenn Besonderheiten – abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle – gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten aufgetreten sind.

Hintergrund:

Streitig war die GOZ-Nr. 2100 „Kompositfüllung in Adhäsivtechnik, dreiflächig” für die Zahnregion 28, die mit dem Steigerungssatz von 3,5 in Ansatz gebracht wurde. Zur Begründung dieses Steigerungssatzes war in der Rechnung folgendes angegeben:

„überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik bzw. schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwierige Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn”

Die Beihilfefeststellungsstelle erkannte diese zahnärztliche Leistung nur in Höhe eines 2,3-fachen Steigerungssatzes an und begründete dies damit, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur in besonders schwierigen Fällen, die von der Masse der Behandlungsfälle abweichen würde, zulässig sei. Die angegebene Begründung lasse einen solchen Ausnahmefall nicht erkennen. Die Schwierigkeit sei mit dem 2,3-fachen Satz bereits abgedeckt, so dass keine weitere Beihilfe zustehe. Zudem habe in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn, sodass eine überdurchschnittliche Leistung nicht anzuerkennen sei.

Das Urteil:

Das Gericht hielt den ablehnenden Bescheid für rechtmäßig und stützt seine Auffassung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17.02.1994 (Az.: 2 C 10.92):

„Eine Überschreitung des Schwellenwertes hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Vorschrift den Charakter einer Ausnahme und setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Zahnarzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegenden Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweisen bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde.

Voraussetzung ist demnach zum einen, dass die Leistung aufgrund der tatsächlichen Umstände vom Typischen und Durchschnittlichen erheblich abweicht. Die Begründung darf dabei nicht allgemein gehalten sein, sondern muss genügend Anhaltspunkte für einen Vergleich enthalten, bei dem deutlich wird, dass die Behandlungsschritte einen ungewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen, der deutlich über demjenigen lag, der durch die Regelspanne abgegolten wird. Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer aber des Weiteren, dass die besonderen Schwierigkeiten nicht in der angewandten Behandlungsmethode begründet sind, sondern auf den individuellen Verhältnissen des konkret behandelten Patienten beruhen.

Die gegebene Begründung lässt, soweit mit ihr ein „überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik” geltend gemacht wird, keine auf die Person der Ehefrau des Klägers bezogene Besonderheiten erkennen. Es lässt sich der Begründung weder entnehmen, dass sich die Anwendung der Mehrfarbentechnik in deren Fall aufgrund individueller Besonderheiten und abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle besonders schwierig gestaltet hätte, noch dass mit der Anwendung der Mehrfarbentechnik gerade im Fall der Ehefrau des Klägers ein besonderer, die durchschnittliche Anwendungsdauer erheblich überschreitender Zeitaufwand verbunden gewesen wäre.

Aber auch soweit als Begründung die „schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwieriger Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn” angeführt ist, ergibt sich hieraus kein die Schwellenwertüberschreitung rechtfertigender Umstand. Aus ihr ergibt sich nämlich ebenfalls nicht, dass und inwieweit dem besagten Umstand im Vergleich zu der Mehrzahl der Behandlungsfälle überdurchschnittliche Bedeutung beizumessen gewesen wäre.

Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn hat.”

Von Angelika Enderle, erstellt am 03.11.2017, zuletzt aktualisiert am 03.11.2017

Juradent-ID: 3811

 

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.

 

 

OVG NRW: Keine Anerkennung der Schwellenwert-überschreitung unter Hinweis auf hochwertige Versorgung

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hat sich mit Urteil vom 15.03.2016 (Az.: 1 A 120/15) einmal mehr mit den beihilferechtlichen Anforderungen an die Begründung bei Überschreitung des Schwellenwertes (2,3facher Gebührensatz) in einer Zahnarztrechnung beschäftigt. Grundsätzlich stellt das Gericht fest, dass Prothetik unter Beachtung der heutigen Standards in der Zahnmedizin immer hochwertig ist. Außerdem handele es sich bei der Anfertigung einer dreigliedrigen Brücke zum Ersatz eines Zahns um eine Routinebehandlung und nicht um komplizierte Prothetik.

In seiner Rechnung hatte der behandelnde Zahnarzt folgende Begründungen angegeben:

GOZ-Nrn. 501 und 507: „Krone als Brücken- oder Prothesenanker (Hohlkehlpräp.) – Konstruktionsbedingter zeitlicher und instrumenteller Mehraufwand bei der Anfertigung hochwertiger, komplizierter Prothetik“.

GOZ-Nr. Nr. 502: „Versorgung e. Lückengeb. d. Brücke o. Prothese (Teilkrone) – besonders aufwändige Präparation – rundumlaufender Federrand“.

In einem Schreiben erläuterte der behandelnde Zahnarzt den jeweils 3,5fachen Satz:

Da die untere Versorgung an die bestehende, vollkeramische Versorgung des Oberkiefers habe angepasst werden müssen, sei eine besonders gestaltete Präparation notwendig gewesen. Um Schäden an der Keramik des Gegenkiefers zu verhindern, sei es unumgänglich, die Präparation der Kauflächen besonders sorgfältig und mit mehrfacher Kontrolle der Unterkieferbewegungen durchzuführen. Dies und die Gestaltung der Präparationsränder der Teilkrone (rundumlaufender Federrand) zwängen zu einem erheblich höheren Zeitaufwand der Präparation und der Herstellung der Versorgung des Klägers.

Das Urteil

In seinen Entscheidungsgründen führt das OVG Nordrhein-Westfalen aus, dass die Ausführungen des Zahnarztes zur Anpassung der Versorgung an den Gegenkiefer keine patientenbezogenen Besonderheiten begründen. Wenn nämlich ein Patient eine Zahnbrücke oder -prothese erhält, ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen vielmehr immer notwendig, diese Brücke oder Prothese an die Zähne oder Prothesen des Gegenkiefers anzupassen, damit keine Schäden entstehen; dies gelte unabhängig davon, wie die Gegenbezahnung beschaffen sei. Ferner sei bei jeder Präparation auch zu kontrollieren ist, ob diese ausreichend ist oder ob sie etwa Schäden am Gegenkiefer verursachen könnte. Auch das Anlegen eines Federrandes sei bei der hier erfolgten Versorgung mit einer Goldteilkrone notwendiger Bestandteil der Leistung und keine Besonderheit.

Kommentar

In den Ausführungen der OVG findet das leider wieder das klassische Argument, dass die auf der Rechnung angegebene Begründung auch bei anderen Patienten in Betracht komme. Grundsätzlich ist die Regelung in der GOZ eindeutig: Der durchschnittliche Aufwand wird mit 2,3 bewertet und Besonderheiten rechtfertigen die Faktorerhöhung, unabhängig davon, ob die Besonderheiten auch bei anderen Patienten vorkommen können.

Von Angelika Enderle, erstellt am 26.07.2016, zuletzt aktualisiert am 26.07.2016

Juradent-ID: 3599

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.

 

 

VG Freiburg: Zahnfarbenbestimmung und individuelle Schichtung sind nicht beihilfefähig

Auch wenn Beihilfeberechtigten in der Regel klar ist, dass bestimmte zahnärztliche Leistungen nur begrenzt oder nicht beihilfefähig sind, überraschen sie immer wieder die teilweise erheblichen Einschränkungen, die zu einigen Beihilfeverordnungen in der „Anlage 2“ hinterlegt sind.

Zu den Leistungsausschlüssen der Beihilfeverordnung des Landes Baden-Württemberg bestätigt das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg mit Urteil vom 22.05.2017 (Az.: 6 K 823/15), dass Aufwendungen für eine besondere zahntechnische Gestaltung, insbesondere die „Zahnfarbenbestimmung“ und „individuelle Schichtung“ (Charakterisierung) der Prothetik an den Patienten nicht beihilfefähig sind.

Der Fall:

Die Beihilfefestsetzungsstelle hatte dem Patienten mitgeteilt, dass eine Zahnfarbenbestimmung und individuelle Schichtung in direkter Anwendung der Anlage zur BVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien, denn diese Leistungen dienten selbstverständlich der „besonderen“ und „individuellen“ Anpassung der Prothetik an den Patienten. Ferner beinhalte bereits der Leistungsinhalt der entsprechenden GOZ-Ziffern, z.B. 5000 bis 5040 die Bestimmung der Farbschichtung, den Farbvergleich und die Farbauswahl.

Dagegen hat die Beihilfeberechtigte Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen Folgendes ausführt:

Bei den als gar nicht beihilfefähig anerkannten Aufwendungen für die Zahnfarbenbestimmung und die individuelle Schichtung jedes Prothesenzahns handle es sich nicht um Aufwendungen nach Ziff. 1.2.1. c) der Anlage zur BVO. Vielmehr beträfen diese Leistungen für die Zahnfarbenbestimmung ganz normale Methoden der Farbauswahl und nicht, wie nach dieser Ziffer erforderlich, eine „besondere“ Farbauswahl. Denn es handle sich um ein übliches, nicht um ein besonderes Verfahren der Zahnfarbenbestimmung. Jedenfalls aber seien sämtliche Leistungen nicht nur aus ästhetischen Gründen erfolgt, sondern medizinisch zwingend notwendig und ohne Behandlungsalternative gewesen.

Aus den Urteilsgründen:

Nach der Ansicht des Verwaltungsgerichts erfasst der in der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss für „Aufwendungen für besondere individuelle Zahngestaltung, Charakterisierung, besondere Farbauswahl und Farbgebung, Bemalen und Bleaching“ Aufwendungen, die nicht der medizinischen Notwendigkeit geschuldet sind, sondern (nur) der ästhetischen Gestaltung dienen, etwa der Anpassung der Farbe von prothetischen Zähnen an die Farbe der individuellen Zähne des Patienten.

Das zeige schon die Ursprungsfassung der Anlage zur BVO, die lautete „Aufwendungen für besondere zahntechnische Gestaltung, insbesondere Charakterisierung“, die mit der Änderungsverordnung vom 20.2.2003 eingeführt wurde und worunter Laborkosten und zahnärztliche Gebühren fallen, die zahnmedizinisch nicht notwendig sind, vielmehr nur durch kostenträchtige Gestaltung das Aussehen verbessern oder natürlich erscheinen lassen sollen.

In der Fassung vom 30.10.2008 sei dies noch konkretisiert worden, nämlich insbesondere durch die zusätzlichen Begriffe „Farbauswahl und Farbgebung, Bemalen und Bleaching“, die ebenfalls ersichtlich allein das ästhetische Äußere betreffenden.

Dass es bei diesen Begriffen um eine gestalterische, ästhetische Leistung gehe, zeige insoweit auch der Begriff „individuelle Charakterisierung“, welche den Zweck habe, eine Strukturierung der Oberfläche wie bei den natürlichen Zähnen (des individuellen Patienten) zu erreichen und durch die Einlegung von Effektmassen, Schichten verschiedener Farben und das Bemalen der Oberfläche erfolge. Dieser Begriff sei mithin gleichbedeutend mit dem in den streitigen Rechnungsposten verwendeten Begriff der „individuellen Schichtung“.

Von Angelika Enderle, erstellt am 31.10.2017, zuletzt aktualisiert am 02.11.2017

Juradent-ID: 3799

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.

 

 

Keinerlei rechtliche Grundlage in der GOZ

Bei der Erstattung von Rechnungen, in denen zahnärztliche Leistungen mit einem höheren als dem 2,3-fachen Gebührensatz abgerechnet werden, gibt es immer wieder Probleme mit Beihilfestellen. Meist wird moniert, dass die Begründung für den erhöhten Steigerungsfaktor nicht in der Person des Patienten liege (patientenbezogen) oder die Behandlung nicht vom Typischen und Durchschnittlichen erheblich abweiche (Charakter einer Ausnahme).

Die Argumentationen in diesem Streit bieten die Behörden selbst: Unter anderem verweist die Bezirksregierung Köln in ihren “Informationen für Beihilfeberechtigte zu Zahnersatz-, prothetischen, kieferorthopädischen und Implantat-behandlungen” (Stand 26.04.2012) darauf hin, dass keine beihilferechtlich ausreichenden Begründungen für eventuelle Schwellenwertüberschreitungen z.B. sind:

  • Leistungserbringung außerhalb der Sprechzeiten oder an Sonn- und Feiertagen
  • multidimensionale diagnostische und therapeutische Schwierigkeiten
  • differential-diagnostische Schwierigkeiten bei der Auswertung
  • schwierige Präparation
  • Anwendung neuerer technischer oder aufwändiger Verfahren oder besonders teuerer medizinischer Großgeräte
  • Arbeiten im Backenzahnbereich
  • geringe Mundöffnung
  • gekrümmte oder enge Wurzelkanäle
  • motorische Unruhe, große Angst
  • Wurzelkaries
  • Erschwerung durch Vorpräparation
  • schwierige Farbgestaltung durch vorhandene Kronen und Brücken
  • überdurchschnittlich schwierige Separation
  • verlängerte Einsatzzeit
  • computergestützte Verfahren
  • außerordentlich erschwerte Kieferumformung auf Grund ausgeprägtem Zungenpressen
  • sehr erschwerte Kieferumformung von orofacialen Dyskinesien
  • deutlich erschwerte Einstellung in den Regelbiss auf Grund asymetrischer Distalbisslage
  • extremer Zahnengstand
  • Pfeilerdivergenzen
  • starke Wurzeleinziehungen und damit einhergehende ungünstige Präparationsgrenze
  • überhöhter Schluckmodus und übermäßiger Speichelfluss
  • muskuläre Verspannungen
  • schwere Okklusionsstörung mit exzessivem Bruxismus
  • Totalverlust der Stützzone
  • Eingliederung einer Verblendkrone

Aus dieser Veröffentlichung geht auch hervor, dass die Beihilfe – auch wenn die Rechnung korrekt erstellt ist – ggf. nur einen Teil der Rechnung erstattet und dem Beihilfeempfänger den nicht erstatteten Kostenanteil zur Begleichung überlässt.

Die Beihilfestellen stützen Ihre Auffassung auf ein Urteil des Bundes-verwaltungsgerichts (BVG) vom 17.02.1994 – 2 C 10.92 – (NJW 1994, S. 3023), nachdem die Überschreitung „den Charakter einer Ausnahme“ haben müsse. Gebühren bis zum Schwellenwert seien danach nicht nur für einfache oder höchstens durchschnittlich schwierige und aufwendige Behandlungsfälle, sondern für die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt und decken in diesem Rahmen auch die Mehrzahl der schwierigeren und aufwendigeren Behandlungsfälle ab.

Die Konsequenzen aus diesem Urteil wurden per Runderlass mitgeteilt und sind Grundlage für die Erstattung der Beihilfe. Obwohl aus dem Jahre 1994, ist dieses Urteil immer noch gültig, da eine anders lautende Entscheidung nur vom Bundesverwaltungsgericht selbst ausgehen kann.

Es bleibt auch in Zukunft dabei, dass der Beihilfeberechtigte vor die Wahl gestellt ist, mit seinem Dienstherrn eine rechtliche Auseinandersetzung zu führen oder den an sich auf die Beihilfestelle entfallenden Anteil des Rechnungsbetrages selbst zu tragen.

Die GOZ indes enthält nach ihrem Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür, dass nur im „Ausnahmefall“ die Überschreitung des 2,3 fachen Satzes gerechtfertigt ist und darüber hinaus lediglich „patientenbezogene Bemessungskriterien“ und eine „atypische Behandlung“ das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen.
Vielmehr steht nach Maßgabe des § 5 GOZ und GOÄ der Gebührenrahmen vom 1,0 – 3,5fachen Steigerungssatz vollumfänglich zur Verfügung. Der 2,3fache Gebührensatz hat innerhalb der Gebührenordnung lediglich die Bedeutung, dass bei seiner Überschreitung zusätzlich eine schriftliche Begründung anzugeben ist.

Die Unrechtmäßigkeit der Forderung nach einer explizit patientenbezogenen Begründung wird bereits durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17.09.1992 (Az. 4 S 2084/91) bekräftigt, in dem es heißt:

“Die GOZ enthält nach ihrem Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür, dass nur personenbezogene Umstände als Bemessungs-kriterien in Betracht kommen.”

Unter Bezugnahme auf Leistungen der GOZ hat sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 25.10.2004 (Az. 1437/02) wie folgt geäußert:

„Für überdurchschnittliche Fälle steht nur der Rahmen zwischen 2,4 und 3,5 zur Verfügung, weil ein Absinken unter die Honorierung, die auch die gesetzliche Krankenversicherung zur Verfügung stellt (nämlich den 2,3-fachen Satz), wohl kaum noch als angemessen zu bezeichnen ist… Es besteht auch nicht etwa dieselbe Interessenlage wie im System der gesetzlichen Krankenversicherung… Die gesetzliche Krankenversicherung stellt auch nur Standard-Leistungen als notwendig und geschuldet zur Verfügung.“

Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 12.08.2009 (Az. 5 LA 368/08) sieht den Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung darin, dem Patienten eine grobe Handhabe zur Einschätzung der Berechtigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs zu geben. Daher seien keine überzogenen Anforderungen an eine ausreichende Begründung zu stellen. Einer ausführlichen ärztlichen Stellungnahme, deren Anfertigung möglicherweise mehr Zeit in Anspruch nehme als die abzurechnende Behandlung, bedürfe es nicht. In der Regel wird es vielmehr genügen, stichwortartig das Vorliegen von Umständen, die das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen können, nachvollziehbar zu machen.

Das OVG Niedersachsen schließt sich darüber hinaus der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20.03.2008 – 2 C 19.06) zu ursprünglich fehlerhaften und später korrigierten Arztrechnungen an und bestätigt, dass fehlerhafte Begründungen später (auch noch im Prozess) ergänzt, nachgeholt oder korrigiert werden können.

An der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Hannover in seiner Entscheidung vom 22.01.2008 (Az.: 13 A 1148/07) lässt sich sehr schön nachvollziehen, wie Verwaltungsgerichte mit der Vorgabe „Charakter einer Ausnahme“ umgehen. Das Gericht hatte sich mit einer Rechnung über eine Wurzelbehandlung auseinandergesetzt, in welcher in mehreren Positionen der 3,5 fache Steigerungssatz angesetzt wurde. Von Seiten der Beihilfestelle wurde die Erstattung des den 2,3fachen Satz übersteigenden Teils mangels einer ausreichenden Begründung abgelehnt.

In der Liquidation war die GOZ 244 (Faktor 3,5) mit der Begründung „erhöhter Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad durch schlechte Zugänglichkeit des Zahnes“ die GOZ 239 (Faktor 3,5) mit „erheblicher Zeitaufwand wegen schwer auffindbarer Kanäle“ begründet worden.

Das Gericht vertrat zunächst die Auffassung, es liege in der Natur der Sache, dass der Zahn 48 schwer zugänglich ist. Dies sei keine Besonderheit, die in der Person des Klägers liege, sondern sei bei allen Patienten so.

Nachdem der Behandler jedoch erläuterte, dass das Gebiet entzündlich verändert, die Kanäle stark verengt gewesen seien und eine Pulpaobliteration vorlag, stellte das Gericht aufgrund dieser Ausführungen fest, dass diese Umstände ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen.
Erfolg hat die Klage weiterhin, soweit die GOZ 240 (Elekrometrische Längenbestimmung eines Wurzelkanals) und GOZ 242 (zusätzliche Anwendung elektropfysikalisch-chemischer Methoden bei der Aufbereitung eines Wurzelkanals) im Raume standen. Die GOZ 240 (Faktor 3,5) war zunächst mit „erhöhter Zeitaufwand häufiges Messen“, die GOZ 242 (Faktor 3,5) mit „erhöhter Zeitaufwand durch häufiges Spülen“ begründet worden.
Das Gericht räumt ein, dass zunächst aus der Rechnungsbegründung nicht ersichtlich sei, dass etwa aufgrund bestimmter anatomischer Verhältnisse gerade beim Kläger abweichend vom üblichen häufiger gemessen bzw. gespült werden musste als bei anderen Patienten. Nachdem jedoch der Behandler anführt, der „hochgradig infizierte Kanal“ habe extrem genässt, so dass ein mehrfaches Messen und Spülen erforderlich gewesen sei, dies nachvollziehbar sei.
Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der GOZ 203 (Faktor 3,5). Diese wurde mit „erhöhter Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand durch außergewöhnlich hohen Speichelfluss“ begründet.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass aus der Rechnung nicht ersichtlich sei, weshalb dies zwangsläufig zu einem erhöhten Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand des Zahnarztes führen musste, weil ja immer die Möglichkeit bestehe, ggf. mit Hilfe eines stärkeren Absaugers diesem Speichelfluss zu begegnen.
Nachdem der Behandler ausführt, es habe einen erhöhten Zeitaufwand wegen eines hoch liegendem Mundbodens und starkem Zungendruck und starkem Würgereiz vorgelegen, so dass die Trockenlegung durch Speichelentzieher allein unmöglich gewesen sei, ist dies für das Gericht ebenfalls nachvollziehbar.

Tipps für die richtige Vorgehensweise bei Begründungen:
Standardisierte Begründungen sind nicht im Sinne von § 10 der GOZ. Auch ein schematisches Bemessen ist nicht verordnungskonform, vielmehr muss jede Einzelleistung nach pflichtgemäßem Ermessen bemessen werden. Gründe, die ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes rechtfertigen, fallen bei Bestreiten in die Beweislast des Behandlers.

Eine Begründung kann kurz und stichwortartig, muss aber aussagekräftig, dass heißt, in sich schlüssig, fachlich und sachlich nachvollziehbar und laien-verständlich sein. Aus dem Begründungstext muss ersichtlich sein, auf welche der nach § 5 Abs. 2 GOZ erforderlichen Bemessungskriterien (Schwierigkeit/ Zeitaufwand/Umstände bei der Ausführung) sich die angegebene Begründung stützt.

Zusätzlich sollte durch Verwendung von Attributen wie zum Beispiel “extrem”, “erheblich”, “überdurchschnittlich”, “außergewöhnlich” die Besonderheit hervorgehoben werden. Mitunter kann die Ausformulierung einer Begründung in kompletten Sätzen Wunder wirken.

Negativbeispiel: „Erhöhte Schwierigkeit beim Legen einer retrograden Füllung.“
Positivbeispiel: „Erheblich erhöhte Schwierigkeit beim Legen einer retrograden Füllung bei Pat. XY durch erschwerten Zugang zum Arbeitsgebiet bei sehr kleiner Kavität und extrem eingeschränkten Sichtverhältnissen durch anhaltende Knochenblutung.“

Dies heißt nun nicht, dass dieses „Positivbeispiel“ von jeder Erstattungsstelle und jedem Gericht anerkannt wird. Allerdings ist hier auf jeden Fall der Vorwurf eines formalen Fehlers ausgeschlossen.
Bereiten Sie den Patienten darauf vor, dass es Probleme geben kann, und klären Sie dies schon im Vorfeld mit ihm ab. Laut Gesetz sind Sie nur Ihrem Patienten verpflichtet. Er muss die Begründung verstehen und nachvollziehen können. Haben Sie den Patienten überzeugt, so ist er ihr Mitstreiter und nicht Ihr Gegner!

Von Angelika Enderle, erstellt am 30.09.2010, zuletzt aktualisiert am 20.06.2012

Juradent-ID: 1329

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.

 

 

VG Düsseldorf zur den Anforderungen an die Begründung einer 3,5-fachen Gebühr

VG Düsseldorf zur den Anforderungen an die Begründung einer 3,5-fachen Gebühr

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 13.12.2016 (Az.: 26 K 4790/15) festgestellt, dass eine Schwellenwertüberschreitung in der Rechnung so zu begründen ist, dass der Patient dies verstehen kann.
Zudem müsse bei einer zeitaufwandsbezogenen Begründung zumindest stichwortartig der zeitliche Rahmen und der durchschnittliche Zeitaufwand der erbrachten Leistung und andererseits der konkrete Zeitaufwand der erbrachten Leistung im Einzelfall dargelegt werden. Dies gelinge etwa nach dem beispielhaften Muster: „Zeitlicher Rahmen für die erbrachte Leistung 30 min bis 120 min, durchschnittlicher Zeitaufwand 50 min, konkreter Zeitaufwand 90 min“, wobei mit einer derartigen zeitlichen Darlegung die stichwortartige Benennung der den konkreten Zeitaufwand verursachenden individuellen Besonderheiten zu verbinden ist.

Der Fall:
Strittig war eine zahnärztliche Rechnung, in der die GOZ-Nrn. 9000 und 9010 mit einem Faktor von jeweils 3,5 abgerechnet werden. Die Beihilfestelle verweigerte die Erstattung der Leistungen soweit sie über dem Schwellenwert des 2,3-fachen Steigerungssatzes liquidiert wurden. Den dagegen gerichteten Widerspruch mittels weiteren Erläuterungen der Zahnarztpraxis wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen zurück.

Die Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage der Patientin mit der Begründung ab, dass weder die Rechnung selbst noch das nachträglichen Erläuterungsschreiben der Zahnarztpraxis verständliche und nachvollziehbare schriftliche Begründungen enthalten würden.

  1. GOZ-Nr. 9000 (Faktor 3,5) – Begründung: „Mehrere Analysen/Vermessungen, da mehrere Implantatpositionen“
  • Ergänzende Stellungnahme des Zahnarztes: „Überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen aufwendiger Planung aufgrund der Implantatzahl und Positionierung pro Kiefer und ungünstiger Anatomie“.

Das Gericht zur GOZ-Nr. 9000:

Zumindest in der Stellungnahme der Zahnarztpraxis wird ausdrücklich auf die Bemessungskriterien Schwierigkeit und Zeitaufwand ausdrücklich Bezug genommen. Jedoch fehlt es in dieser Begründung trotz der ausdrücklichen Inbezugnahme des Bemessungskriteriums „Zeitaufwand“ an jeglichem zumindest ansatzweisen Anhaltspunkt dafür, wie die im konkreten Fall erbrachte Leistung in zeitlicher Hinsicht im Vergleich mit anderen von der Zahnarztpraxis durchgeführten implantatbezogenen Analysen bzw. Vermessungen einzuordnen ist, geschweige denn, dass diese Leistung – wie für eine Berechnung mit dem 3,5fachen Steigerungssatz erforderlich – am oberen Ende des zeitlichen Rahmens für Behandlungen gleicher Art anzusiedeln ist.

Auch hinsichtlich des Bemessungskriteriums „Schwierigkeit“ plausibilisiert die Begründung nicht, wie die berechnete Leistung im Vergleich mit anderen von der Zahnarztpraxis durchgeführten implantatbezogenen Analysen bzw. Vermessungen einzuordnen ist. Da sich die GOZ-Gebührenziffer 9000 laut Leistungslegende nicht etwa auf eine einzelne Implantatposition, sondern auf den gesamten Kiefer bezieht („je Kiefer“), spricht wenig bis nichts dafür, dass eine auf – wie im vorliegenden Fall – zwei Implantatpositionen bezogene Analyse und Vermessung bereits eine überdurchschnittliche Schwierigkeit verursacht, denn es sind pro Kiefer – etwa im Falle der vollständigen Zahnlosigkeit eines solchen – deutlich mehr als zwei Implantatpositionen denkbar.

Auch sind die verwendeten Begrifflichkeiten „aufwendige Planung“ und „ungünstige Anatomie“ als solche im Hinblick auf die Bemessungskriterien Schwierigkeit und Zeitaufwand viel zu unsubstanziiert, um zumindest einen Anhalt dafür zu liefern, dass sich die im Falle der Klägerin konkret durchgeführte Behandlung vom Bereich des Durchschnittlichen abhebt, geschweige denn, dass – wie für die konkret vorgenommene Berechnung des 3,5fachen Steigerungssatzes erforderlich – ein Fall vorgelegen hat, der an die zahnärztliche Praxis außergewöhnliche Anforderungen gestellt hat.

  • GOZ-Nr. 9010 (Faktor 3,5) Begründung: „Mehrere Implantate pro Kiefer, Parallelitätsprobleme, Achsenkonfiguration – Erhöhter Aufwand wegen Implantat in Nervennähe“
  • Ergänzende Stellungnahme des Zahnarztes: „Überdurchschnittliche Schwierigkeiten wegen besonderer Maßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen der Nervaustrittstelle, hoher Verletzungsgefahr durch Operation in Nervnähe und starker/übermäßiger Blutung“.

Das Gericht zur GOZ-Nr. 9010:

Zwar wird in der Stellungnahme der Zahnarztpraxis auf das Bemessungskriterium „Schwierigkeit“ Bezug genommen, jedoch macht auch diese Begründung nicht plausibel, dass ein Fall vorgelegen hat, der an die zahnärztliche Praxis außergewöhnliche Anforderungen gestellt hat. Es kann dahinstehen, ob dies bereits deshalb gilt, weil die nachgereichte Begründung nicht schlüssig an die Begründung anknüpft.

Denn selbst wenn man die Diskrepanz zwischen den beiden Begründungen als solche für rechtlich unerheblich hält und eine Verknüpfung der Darlegung einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit mit der gleichzeitigen Darlegung eines überdurchschnittlichen Zeitaufwandes nicht fordert, fehlt es hier auch isoliert bezogen auf das Bemessungskriterium der Schwierigkeit an der erforderlichen hinreichend substanziierten vergleichenden Betrachtung des konkret zu beurteilenden Falles.

Der „überdurchschnittliche“ Schwierigkeitsbereich umfasst nämlich die Steigerungssatzskala von 2,4 bis 3,5; auch eine nur leicht überdurchschnittliche Schwierigkeit ist eine überdurchschnittliche Schwierigkeit, vermag dennoch nicht die hier vorgenommene Berechnung des 3,5fachen Steigerungssatzes zu rechtfertigen. Deshalb sind auch die sonstigen verbalen Umschreibungen der Zahnarztpraxis („besondere“ Maßnahmen, „hohe“ Verletzungsgefahr, „starke/übermäßige“ Blutung) viel zu allgemein gehalten, um zum Ausdruck bringen zu können, dass es sich beim konkreten Behandlungsfall der Klägerin um einen solchen gehandelt haben soll, der an die zahnärztliche Praxis außergewöhnliche – am oberen Ende der Schwierigkeitsskala angesiedelte – Anforderungen gestellt hat.

Abschließend stellt das Gericht fest, dass es für die Beantwortung der Frage, ob eine Begründung im Sinne von § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ nachvollziehbar ist, es keines medizinischen Sachverstandes bedarf: „Lässt sich nämlich nicht bereits allein anhand der in einer Rechnung gegebenen Begründung, sondern erst unter Hinzuziehung medizinischen Sachverstandes klären, ob eine Schwellenwertüberschreitung gebührenrechtlich gerechtfertigt ist, folgt daraus, dass die Begründung für einen medizinischen Laien gerade nicht verständlich und nachvollziehbar ist, diese mithin gebührenrechtlich unzureichend ist.“

Von Angelika Enderle, erstellt am 30.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.03.2017

Juradent-ID: 3716

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.

 

 

VG Saarland: Eine Überschreitung des Schwellenwertes setzt Besonderheiten mit Ausnahmecharakter voraus

Urteil vom 26.05.2017

Die Schwellenwertüberschreitung ist weiterhin bei der Beihilfe ein schwieriges Thema, da die Begründungen in der Regel nicht anerkannt werden.

Das Verwaltungsgericht (VG) Saarland hatte sich am 26.05.2017 (Az.: 6 K 468/16) mit der Klage eines Beihilfeberechtigten zu beschäftigen und festgestellt, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur dann zulässig ist, wenn Besonderheiten – abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle – gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten aufgetreten sind.

Hintergrund:

Streitig war die GOZ-Nr. 2100 „Kompositfüllung in Adhäsivtechnik, dreiflächig” für die Zahnregion 28, die mit dem Steigerungssatz von 3,5 in Ansatz gebracht wurde. Zur Begründung dieses Steigerungssatzes war in der Rechnung folgendes angegeben:

„überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik bzw. schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwierige Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn”

Die Beihilfefeststellungsstelle erkannte diese zahnärztliche Leistung nur in Höhe eines 2,3-fachen Steigerungssatzes an und begründete dies damit, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur in besonders schwierigen Fällen, die von der Masse der Behandlungsfälle abweichen würde, zulässig sei. Die angegebene Begründung lasse einen solchen Ausnahmefall nicht erkennen. Die Schwierigkeit sei mit dem 2,3-fachen Satz bereits abgedeckt, so dass keine weitere Beihilfe zustehe. Zudem habe in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn, sodass eine überdurchschnittliche Leistung nicht anzuerkennen sei.

Das Urteil:

Das Gericht hielt den ablehnenden Bescheid für rechtmäßig und stützt seine Auffassung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17.02.1994 (Az.: 2 C 10.92):

„Eine Überschreitung des Schwellenwertes hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Vorschrift den Charakter einer Ausnahme und setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Zahnarzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegenden Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweisen bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde.

Voraussetzung ist demnach zum einen, dass die Leistung aufgrund der tatsächlichen Umstände vom Typischen und Durchschnittlichen erheblich abweicht. Die Begründung darf dabei nicht allgemein gehalten sein, sondern muss genügend Anhaltspunkte für einen Vergleich enthalten, bei dem deutlich wird, dass die Behandlungsschritte einen ungewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen, der deutlich über demjenigen lag, der durch die Regelspanne abgegolten wird. Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer aber des Weiteren, dass die besonderen Schwierigkeiten nicht in der angewandten Behandlungsmethode begründet sind, sondern auf den individuellen Verhältnissen des konkret behandelten Patienten beruhen.

Die gegebene Begründung lässt, soweit mit ihr ein „überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik” geltend gemacht wird, keine auf die Person der Ehefrau des Klägers bezogene Besonderheiten erkennen. Es lässt sich der Begründung weder entnehmen, dass sich die Anwendung der Mehrfarbentechnik in deren Fall aufgrund individueller Besonderheiten und abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle besonders schwierig gestaltet hätte, noch dass mit der Anwendung der Mehrfarbentechnik gerade im Fall der Ehefrau des Klägers ein besonderer, die durchschnittliche Anwendungsdauer erheblich überschreitender Zeitaufwand verbunden gewesen wäre.

Aber auch soweit als Begründung die „schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwieriger Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn” angeführt ist, ergibt sich hieraus kein die Schwellenwert-überschreitung rechtfertigender Umstand. Aus ihr ergibt sich nämlich ebenfalls nicht, dass und inwieweit dem besagten Umstand im Vergleich zu der Mehrzahl der Behandlungsfälle überdurchschnittliche Bedeutung beizumessen gewesen wäre.

Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn hat.”

Von Angelika Enderle, erstellt am 03.11.2017, zuletzt aktualisiert am 03.11.2017

Juradent-ID: 3811

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.

 

 

Außerordentliche Kündigung 2

LAG Baden-Württemberg: Außerordentliche Kündigung einer Praxismitarbeiterin wegen Weitergabe von Patientendaten

Urteil vom 11.11.2016

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.11.2016 (Az.: 12 Sa 22/16) klargestellt: Verletzt eine medizinische Fachangestellte ihre arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht dadurch, dass sie Patientendaten an eine nicht berechtigte Person weitergibt, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Aus dem Sachverhalt:

Die medizinische Fachangestellte war in der Praxis der Beklagten u.a. für die Terminverwaltung zuständig. Dort hatte eine Bekannte von ihr und ihrer Tochter einen Untersuchungstermin vereinbart und später wieder abgesagt. Die Klägerin rief darauf das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Aus dem Terminblatt war Name und Geburtsdatum der Patientin, zu untersuchender Körperbereich und damit korrespondierend das für die Untersuchung zu reservierende MRT-Gerät ersichtlich. Die Klägerin fotografierte das Terminblatt mit Hilfe ihres Smartphones und leitete das Foto, mit dem Kommentar „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ versehen, per WhatsApp an ihre Tochter weiter. Der Vater der Patientin beschwerte sich in der Praxis darüber, dass die Tochter der Klägerin im Sportverein die WhatsApp-Nachricht ihrer Mutter weitergezeigt habe.

Dem Arbeitgeber gegenüber begründete die Arzthelferin ihr Fehlverhalten damit, dass sie nicht gewusst habe, derartige Daten nicht an direkte Verwandte weiterleiten zu dürfen, sie bereue jedoch Ihre Handlung. Die Argumente ließ der Arbeitgeber nicht gelten und verwies auf die Geheimhaltungspflicht im Arbeitsvertrag und kündigte ihr fristlos. Die Klägerin erhob hieraufhin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und brachte unter anderem vor, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte.

Aus der Urteilsbegründung:

„Die Weitergabe des Patientennamens einschließlich der beabsichtigten Untersuchung (Körperbereich/MRT) wiegt so schwer, dass die Klägerin erkennen konnte, die Beklagten würden das gemeinsame Arbeitsverhältnis bei einer derartigen Vertragsverletzung beenden.

Eine Abmahnung der Klägerin hätte das Vertrauen der Beklagten in ihre Diskretion nicht wiederherstellen können. Der vertrauliche Umgang mit Patientendaten ist für eine Arztpraxis zum einen so grundlegend, dass sich jede Mitarbeiterin bewusst ist, sie stellt ihr Arbeitsverhältnis in Frage, wenn sie Daten unbefugt nach außen gibt.

Zum anderen ist der vertrauliche Umgang mit Patientendaten auch so selbstverständlich, dass ein Verstoß hiergegen das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen der Praxisbetreiber in die Diskretion seiner Angestellten besonders nachhaltig und deshalb unwiederbringlich beeinträchtigt.

Das gilt erst recht im Falle der Klägerin, die den im Arbeitsvertrag ausdrücklich aufgenommenen Passus zum Schutz der Patientendaten nur als ein Detail unter Vielen betrachtet und sich deshalb dann, wenn es darauf ankommt, nicht mehr daran erinnern kann und die den Namen der ihr bekannten Patientin ohne Not gedankenlos aus einer Laune heraus weitergibt, was eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen der Patientin deutlich macht. Eine Abmahnung der Klägerin wäre daher nicht geeignet gewesen, das verloren gegangene Vertrauen in die Diskretion der Klägerin wiederherzustellen.

Auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für die Beklagten keine geeignete Handlungsalternative. Den Beklagten war es nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende am 31. Dezember 2015 fortzusetzen. Ihr Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwog das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Kündigungsfrist.“

Von Angelika Enderle, erstellt am 17.10.2017, zuletzt aktualisiert am 18.10.2017

Juradent-ID: 3796

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.