Rechtstipp Januar 2014:: Behandlung minderjähriger Patienten erfordert zwingend Einwilligung beider Eltern

Behandlung minderjähriger Patienten erfordert zwingend Einwilligung beider Elternteile!!!

Der Alltag in Zahnarztpraxen sieht doch so aus, dass minderjährige beziehungsweise jugendliche Patienten, ob nun Kassen- oder Privatpatienten, ohne ihre Eltern zur Behandlung erscheinen. Gerade Jugendliche gehen häufig alleine zu ihrem Erstbesuch in die Zahnarztpraxis. Bereits hier können Fehlerquellen entstehen, die im weiteren Verlauf der Behandlung unbeachtet bleiben und rechtliche als auch wirtschaftliche Folgen für den Zahnarzt nach sich ziehen können. Diese gilt es zu vermeiden.

Gerade Mädchen sehen häufig älter aus als sie eigentlich sind. Beim Ausfüllen des Anamnesebogens beziehungsweise Abschluss des Behandlungsvertrags wird daher häufig gar nicht da­rauf geachtet, wie alt der Patient beziehungsweise die Patientin eigentlich ist. Dabei gilt das Gleiche wie beim Alkoholverbot: zwingende Kontrolle durch das Praxispersonal und letztlich auch den Zahnarzt. Denn nicht nur im Hinblick auf eine ordnungsge­mäße Aufklärung sondern auch hinsichtlich des Honoraranspruchs lauern Gefahren für den Zahnarzt.

• Aufklärung: Bei minderjährigen Patienten gelten Besonderheiten im Hinblick auf die Aufklärung. Bei Kindern unter 14 Jahren ist immer zwingend die Einwilligung der Eltern in eine Behandlung einzuholen, und zwar grundsätzlich die beider Eltern! Kinder können nicht selbst in die Behandlung einwilligen. Daher sind mit Ausnahme von Eil- und Notfällen auch die Eltern über die Behandlung und deren Risiken vollständig aufzuklären. Dies ist auch bei zahn­ärztlichen Behandlungen relevant. Beispielsweise bei der Aufklärung über Risiken einer Leitungsan­ästhesie. Der Jugendliche wird bei Schmerzen während der Behandlung sicherlich eine Leitungs­anästhesie haben wollen. Es reicht dabei aber nicht nur, den Jugend­lichen über die möglichen Folgen aufzuklären.

Der Wille von Patienten, die jünger als 18 Jahre sind, muss mitberücksichtigt werden, wenn sie ein­willigungsfähig sind. Dies ist dann der Fall, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs und der damit verbundenen Risiken erkennt und beurteilen kann. Hier zeigt sich wieder die Unpraktikabilität derartig schwammiger juristischer Formulierungen. Wie das in der Praxis beurteilt werden soll, sagt na­türlich niemand. Als Faustformel hat die Rechtsprechung auf das 14. Lebensjahr abgestellt und hier zum Teil die Einwilligungsfähigkeit angenommen. Für den Praxis­inhaber bedeutet dies, in jedem Einzelfall nach Schwere des Eingriffs und dem Alter des Patienten abzuwägen. Klare Vorgaben an denen man sich orientieren kann, gibt es leider nicht.

Dieser Aspekt betrifft zunächst nur die Einwilligungsfähigkeit des Patienten in die Behandlung. Diese ist für jede zahnärztliche Behandlung zwingend erforderlich. Denn grundsätzlich stellt jeder (zahnärztliche) Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten eine Körperverletzung dar und kann nur durch eine wirksame Einwilligung des Patienten beziehungsweise der gesetzlichen Vertreter gerechtfertigt werden. An die Frage der Einwilligung schließt sich dann folgerichtig die Frage an, was mit dem Honorar­anspruch für die erbrachte Leis­tung passiert, wenn keine Einwilligung durch den Patienten bezie­hungsweise die gesetzlichen Vertreter vorliegt.

Mit Urteil vom 5. September 2013 hat das Landgericht (LG) Wiesbaden (Az. 9 S 14/13) entschieden, dass ein mit einer minderjährigen Patientin (17 Jahre) geschlossener privatärztlicher Behandlungsvertrag mangels Genehmigung der gesetzlichen Vertreter und nachträglicher Genehmigung durch die Patientin, die mittlerweile 18 Jahre alt war, schwebend unwirksam ist und hieraus kein Honoraranspruch besteht. Die seinerzeit gesetzlich krankenversicherte und minderjährige Beklagte begab sich in privatärztliche Behandlung. Die schriftliche Genehmigung der gesetzlichen Vertreter oder der später volljährigen Patientin wurde nicht eingeholt.

Das Gericht entschied: Der zunächst vorläufig unwirksame Behandlungsvertrag sei weder von den gesetzlichen Vertretern noch nach Erlangung der Volljährigkeit von der Patientin selbst genehmigt worden. Zwar könne eine Genehmigung grundsätzlich auch konkludent erfolgen. Allein durch das Erscheinen der Patientin in der Praxis und die Inanspruchnahme der ärztlichen Leis­tung nach Erlangung der Volljährigkeit könne man jedoch nicht darauf schließen, dass diese von der schwebenden Unwirksamkeit wusste und durch ihre weiteren Besuche ihrem Willen Ausdruck verleihen wollte, den Behandlungsvertrag nunmehr mit allen für sie verbundenen Folgen verbindlich werden zu lassen.

Bei der Behandlung von Minderjährigen bedarf es einer besonderen Sorgfalt, die letztlich nicht nur dem Schutz des Patienten, sondern auch dem Zahnarzt selbst dient. Neben bestehenden Haftungsrisiken wegen Aufklärungsfehlern ist oftmals auch der Honoraranspruch des Zahnarztes aufgrund unwirksamer Einwilligungen in die Behandlung gefährdet. Daher ist es für den Zahnarzt unerlässlich, bereits bei Aufnahme des Patienten beziehungsweise spätestens bei Unterzeichnung des Behandlungsvertrags mit einem jungen Patienten auf vermeintliche „Kleinigkeiten” wie das Alter zu achten und sich insbesondere zu vergewissern, dass erforderliche Einwilligungen der Eltern vorliegen.

Alexandra Eppelsheim, Frankfurt (Main)

 

 

Rechtstipp Dezember 2013; OLG Köln: Anspruch auf kostenlosen Branchenbucheintrag gegenüber der Telekom auch unter Phantasiebezeichnung

Vor allem die Streitereien um die sog. Gewerbeauskunfts-Zentrale, die zahlreiche Gewerbetreibende in den vergangenen Jahren in eine kostspielige Vertragsfalle gelockt hat, steht im Fokus, wenn es um Branchenbucheinträge geht.

Wie einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zu entnehmen ist, bedarf es jedoch derartiger kostspieliger Einträge in der Regel nicht, denn die Telekom ist in der Regel zum kostenfreien Brancheneintrag verpflichtet (OLG Köln, Urt. v. 13.02.2013, 11 U 136/11).        Der Betreiber eines selbstständigen Kundendienstbüro einer Versicherungsgruppe, tritt unter der Bezeichnung „I Kundendienstbüro I2″ am Markt auf. Seinen Telefonanschluss für seine Büros hatte er bei der Telekom angemeldet. Diese nahm den Betreiber im Kommunikationsverzeichnis jedoch mit der Namensbezeichung: „I2 Versicherungen” auf. Zu Unrecht, wie das OLG Köln nunmehr bestätigt.

Nach § 45 m Abs. 1 TKG kann der Teilnehmer von dem Anbieter eines öffentlichen Telefondienstes jederzeit verlangen, mit seiner Rufnummer, seinem Namen, seinem Vornamen und der Anschrift in ein allgemein zugängliches, nicht notwendig anbietereigenes Teilnehmerverzeichnis unentgeltlich eingetragen zu werden. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit §§ 47 und § 104 TKG zu sehen. § 47 TKG betrifft das Verhältnis der Anbieter untereinander. Jeder Anbieter hat seine Teilnehmerdaten jedem anderen Anbieter zum Zwecke der Bereitstellung von Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen zur Verfügung zu stellen; Teilnehmerdaten nach § 47 Abs. 2 TKG sind die nach Maßgabe des § 104 TKG veröffentlichten Daten, wobei § 104 TKG zwischen dem Namen und Anschrift und zusätzlichen Angaben wie Beruf, Branche und Art des Anschlusses unterscheidet. § 104 TKG ist die datenschutzrechtliche Grundlage für die Veröffentlichung der Daten, § 47 TKG die Grundlage für die Erstellung der Verzeichnisse.

Der in den Vorschriften des TKG verwendete Begriff des Namens ist im Sinne des § 12 BGB zu verstehen, so dass der Kunde einen Anspruch auf Eintragung seines im Verkehr verwandten (Phantasie-)Namens hat, der in der Regel auch namensrechtlich geschützt ist, gleiches gilt für die Eintragung der Firma und Kennzeichnungen von Betriebsteilen und Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 Markengesetz, soweit sie namensmäßige Unterscheidungskraft haben.

Dr. Robert Kazemi

 

Rechtstipp November 2013 BGH: Heimliche Personenüberwachung mittels GPS-System am Auto strafbar

BGH: Heimliche Personenüberwachung mittels GPS-System am Auto strafbar

Als ich vor einigen Wochen nachts aus dem Büro heimkam und den Fernseher einschaltet, um ein wenig zu „snappen”, blieb ich bei der Wiederholung einer nachmittäglichen „Reality-Detektiv-Serie” stehen und war als Datenschutzrechtler mehr als überrascht, was mir da geboten wurde.

Zugegeben, auch mir ist bekannt, dass sich derartige Sendungsformate in aller Regel nicht durch eine besonders saubere juristische Recherche auszeichnen, gleichwohl orientieren sie sich doch zumindest partiell offenbar an der Wirklichkeit. In der Serie ging es um einen Geschäftsmann, der eine Geschäftsreise dazu nutzen wollte, herauszufinden, ob seine Frau ihn betrügt. Einen entsprechenden Verdacht hatte er, bediente sich jedoch zur Absicherung einer Detektei. Diese sollte die Ehefrau beschatten und herausfinden, ob diese neben der ehelichen vielleicht noch eine weitere Beziehung führte. Die Detektive begaben sich also daran, die ahnungslose Gattin zu observieren, ihr hinterherzufahren und sie auf „frischer Tat” zu ertappen. Blöd nur, dass die Gattin, die ja von ihren Verfolgern nichts wusste, nicht darauf geachtet hatte, dass die Verfolger auch hinterherkamen. Schwupp, schon war sie ihren Verfolgern entkommen. Doch was wäre eine nachmittägliche Belustigungs-Serie ohne gewiefte Detektive mag sich der Autor des Story-Books gedacht haben und gestand seinen Akteuren eine gewisse Voraussicht zu. Diese hatten das KFZ der Gattin nämlich bereits Tage zuvor, unbemerkt und verständlicher Weise ohne Kenntnis und Einwilligung der Gattin mit einem GPS Peilsender versehen, der es ihnen nunmehr ermöglichen sollte, das Fahrzeug wiederzufinden. Dies hatte auch Erfolg, die Dame wurde in einem Park mit dem Liebhaber ertappt und gefilmt. Detektiv und Geschäftsmann waren glücklich. Ich hingegen musste die ganze Zeit darüber nachdenken, ob der Einsatz des GPS-Empfängers nicht ein bisschen zu weit ging und ob hier nicht ggf. gegen Bestimmungen zum Datenschutzrecht verstoßen wurde. Ich verwarf diesen Gedanken jedoch wieder, weil ich zugegebenermaßen dachte, derartige Räuberpistolen entspringen lediglich der Phantasie eines Autors, nicht jedoch der Realität. Weit gefehlt, wie eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 04.06.2013 (Az. 1 StR 32/13) belegt.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

„Das Landgericht Mannheim hat den Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen unterschiedlicher Höhe verurteilt […] Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten.  […] Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik (Global Positioning System), indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (§§ 44* iVm. 43 Abs. 2 Nr. 1 ** BDSG) verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts waren die Angeklagten nicht im Sinne von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2*** oder 29 Abs. 1 Nr. 1**** BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hat es nicht vorgenommen […].

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der “Zielpersonen” mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist. […]

Bewertung:

Die Entscheidung des BGH ist folgerichtig und im Interesse eines wirksamen Datenschutzes geboten. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, zu denen zweifelsohne auch Standortdaten gehören, ist gemäß § 4 BDSG grundsätzlich nur zulässig, soweit das BDSG oder andere Rechtsvorschriften dies erlauben oder der Betroffene in die vorbeschriebenen Vorgänge eingewilligt hat. Eine Einwilligung lag hier sicherlich nicht vor, so dass allenfalls auf die gesetzlichen Erlaubnistatbestände des BDSG zurückgegriffen werden konnte.

In Betracht kommen hier §§ 28 und 29 BDSG, je nachdem ob es sich bei der Datenerhebung um eine solche für eigene oder eine solche für fremde (geschäftliche) Zwecke handelt. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist „das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäfts-zwecke” unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. So einfach, wie die Vorschrift auf den ersten Blick auch erscheinen mag, sie ist es in der Realität und vor allem nach den umfassenden Neuregelungen durch die BDSG-Novelle II nicht. § 28 BDSG ist vielmehr ein „Sammelsurium” von Ausnahmebestimmungen, Einschränkungen, Erweiterungen, Verweisen etc., deren Verständnis immer wieder den Blick in die gesetzlichen Regelungen sowie die hierzu veröffentlichte Kommentarliteratur und Rechtsprechung erfordert. Normadressat ist die verantwortliche (nicht-öffentliche) Stelle.  Die Erlaubnisnorm unter-scheidet danach, ob die Datenverwendung für eigene Geschäftszwecke oder zum Zweck der Übermittlung an Dritte erfolgt. Zentraler Begriff des § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG und damit Ausgangspunkt für die Frage, ob überhaupt eine „einwilligungslose” Datenerhebung nach dieser Vorschrift in Betracht kommt, ist demnach das Vorliegen einer Datenerhebung für „eigene Geschäftszwecke”. Solche liegen dann vor, wenn Datenverarbeitung nicht selbst der Unternehmenszweck ist, sondern mit der Verarbeitung lediglich die eigentliche Tätigkeit der datenerhebenden Stelle unterstützt werden soll. Für die Anwendung des § 28 BDSG ist es daher entscheidend, dass die verantwortliche Stelle an den Daten ein eigenes Interesse hat, um mit dem Betroffenen in Kontakt zu treten bzw. in Kontakt zu bleiben.  Taeger  beschreibt dies zutreffend in der Form, dass die Datenerhebung und -verarbeitung einen „akzessorischen Charakter für die Geschäftsziele des Unternehmens” trägt. Dies scheint mir im Falle der Detektei nicht ganz abwegig.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG beschreibt insgesamt drei Zulässigkeitsalternativen. Die Datenerhebung im Rahmen rechtsgeschäftlicher oder rechtsgeschäftsähnlicher Schuldverhältnisse, die Datenerhebung im Rahmen berechtigter Interessen der datenerhebenden Stelle und die Datenerhebung aus öffentlich zugänglichen Datenquellen. Die erste Alternative scheidet aus, denn zwischen dem Betroffenen (der Gattin) und der Detektei besteht gerade kein Schuldverhältnis. Fraglich bliebt also, ob die Datenerhebung hier berechtigten Interessen der datenerhebenden Stelle folgt.

Wann ein berechtigtes Interesse der datenerhebenden Stelle vorliegt, definiert das BDSG selbst nicht. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass dieses nicht rechtlicher, sondern auch ideeller oder wirtschaftlicher Natur sein kann, solange es sich um ein von der Rechtsordnung gebilligtes Interesse handelt.  Da auch die Datenerhebung im berechtigten Interesse dem Zweckbestimmungsgrundsatz unterliegt, ist bei der Beurteilung des Vorliegens eines berechtigten Interesses auch die grundsätzliche Wertung und Zweckrichtung des BDSG zu berücksichtigen. Weiterhin gilt, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG eng auszulegen ist, damit er nicht zum Auffangtatbestand für beliebige Datenverarbeitungen umfunktioniert wird.  Dennoch ist es verfehlt, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG als „Ausnahme zum Regelfall”  zu bezeichnen und den Anwendungsbereich der Vorschrift gleichsam durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG verdrängt zu sehen. Ein solches Verständnis lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Systematik des § 28 Abs. 1 BDSG an sich entnehmen. Es ist vielmehr so, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG selbstständig neben der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG Anwendung findet. Selbst wenn die Verarbeitung eines personenbezogenen Datums gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG wegen Erreichung des Vertragszwecks unzulässig werden sollte, kann sich eine Rechtfertigung zur weiteren Datenverarbeitung daher aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG ergeben.  Auch in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG findet jedoch das bereits aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG bekannte „Erforderlichkeitskriterium” Anwendung. Auf die Ausführungen zu Inhalt und Reichweite kann zur Vermeidung von Wiederholungen daher grundsätzlich verwiesen werden. Was im datenschutzrechtlichen Sinne erforderlich ist, ist daher auch im Rahmen der Prüfung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG eine (Wertungs-)Frage des Einzelfalles. Die Zweckbestimmung des „berechtigten Interesses” begrenzt die durch sie legitimierte Datenverarbeitung. Nur was zur Erreichung eines anerkannten „berechtigten Interesses” der datenerhebenden Stelle gespeichert werden muss, kann überhaupt Gegenstand einer einwilligungslosen Datenerhebung auf Basis des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG sein. Das „Müssen” in vorgenanntem Sinne darf nach h.M. jedoch nicht in einem Sinne verstanden werden, dass die Datenverarbeitung aus technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen oder sonstigen Gründen „schlechterdings unverzichtbar wäre”;  es reicht, wenn nach den Gesamtumständen die Wahl einer anderen Informationsmöglichkeit oder der Verzicht hierauf nicht sinnvoll wäre.  Dies mag man also noch begründen können, obgleich sich bereits hier die Frage stellt, ob auch ein „einfaches” Hinterherfahren nicht bereits weniger einschneidend wäre.

Doch selbst wenn man (noch) ein berechtigtes Interesse der Detektei annehmen wollte, muss beachtet werden, dass das Vorliegen berechtigter Interessen für die Beurteilung der einwilligungslosen Datenverarbeitung im Lichte des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG nicht allein ausschlaggebend ist. Vielmehr sind hier auch die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen. Betrachtet man in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Datensparsamkeit sowie den für die Datenspeicherung stets zu beachtenden Erforderlichkeitsgrundsatz, bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Rechtfertigung der Datenerhebung mittels GPS-Überwachung. Verständlicherweise will der Betroffene eine solche ja gerade nicht und ist eine hierdurch ermöglichte Dauer- und Totalüberwachung besonders einschneidend. Zu Recht geht der BGH also davon aus, dass derartige Maßnahmen (ohne Einwilligung) des Betroffenen in der Regel unzulässig sind.

Dass das Datenschutzrecht kein „zahnloser Tiger” ist, zeigen die verhangenen Freiheitsstrafen. Diese sind auf §§ 43, 44 BDSG zurückzuführen.

Dr. Robert Kazemi

 

 

Rechtstipp Oktober 2013 Neuer Auskunftsanspruch des Versicherten zur Kostenübernahme einer Heilbehandlung

Neuer Auskunftsanspruch des Versicherten zur Kostenübernahme einer Heilbehandlung

Mit dem Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften vom 24. April 2013 (BGBl. I 2013, S. 932 ff.), welches mit Wirkung zum 01.05.2013 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber einige Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zugunsten der Versicherungsnehmer bei einer privaten Krankenversicherung novelliert.

So gibt es nun für privat Versicherte die Möglichkeit, vor der Behandlung eine verbindliche Aussage zur Kostenübernahme einzuholen. Rechtsgrundlage ist dabei der in § 192 VVG neu eingefügte Absatz 8: (8) Der Versicherungsnehmer kann vor Beginn einer Heilbehandlung, deren Kosten voraussichtlich 2.000 Euro überschreiten werden, in Textform vom Versicherer Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Heilbehandlung verlangen. Ist die Durchführung der Heilbehandlung dringlich, hat der Versicherer eine mit Gründen versehene Auskunft unverzüglich, spätestens nach zwei Wochen, zu erteilen, ansonsten nach vier Wochen; auf einen vom Versicherungsnehmer vorgelegten Kostenvoranschlag und andere Unterlagen ist dabei einzugehen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Ist die Auskunft innerhalb der Frist nicht erteilt, wird bis zum Beweis des Gegenteils durch den Versicherer vermutet, dass die beabsichtigte medizinische Heilbehandlung notwendig ist. Somit wurde ausdrücklich in das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ein neuartiger Auskunftsanspruch über den Versicherungsschutz aufgenommen, damit der Patient vor Behandlungsbeginn darüber informiert ist, ob die Kosten der geplanten Behandlung übernommen werden. Der Auskunftsanspruch greift allerdings nur in den Fällen, in denen die voraussichtlichen Behandlungskosten 2.000 Euro überschreiten und ein Kostenvoranschlag eingereicht wird. Versicherungen müssen innerhalb von vier Wochen nach Eingang der Unterlagen eine begründete schriftliche Auskunft erteilen, in Notfällen innerhalb von zwei Wochen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Verstreicht diese Frist, ohne dass die Versicherung reagiert hat, gilt die beabsichtigte Behandlung als medizinisch notwendig und der Versicherer muss die Kosten übernehmen, wenn er nicht das Gegenteil beweisen kann. Kritische Anmerkung: Es bleibt abzuwarten, wie Versicherungen mit dieser neuen Bestimmung umgehen werden, da hier unklar bleibt, was der Versicherer für die Auskunft prüfen soll. Die derzeitige Praxis belegt, dass die Entscheidung über die Leistungspflicht des Versicherers auf der Grundlage eines Heil- und Kostenplans häufig die Anforderung weiterer Behandlungsunterlagen wie etwa detaillierte Befundberichte, Modelle, Röntgenbilder etc. erfordert. Es erscheint zumindest fraglich, ob vor diesem Hintergrund eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung innerhalb der vorgesehenen zwei Wochen zu leisten ist. Hinzu kommt, dass eine abschließende gebührenrechtliche Wertung eines zahnärztlichen Heil- und Kostenplans erst nach Durchführung der Behandlung möglich ist, zumal die Material- und Laborkosten vom Behandler vorab nur geschätzt werden können. Es bleibt insoweit zu befürchten, dass die neue Regelung nicht zu der vom Gesetz angestrebten Rechtssicherheit zugunsten des Versicherten führt und an der Stelle neue Streitpunkte eröffnet werden.

 

 

Rechtstipp September 2013 BAG: Volle Vergütung für wenig Arbeit?

BAG: Volle Vergütung für wenig Arbeit?

Einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG)  vom 15.05.2013 (10 AZR 325/12) liegt ein durchaus kurioser Sachverhalt zugrunde.  Nach einem Arbeitsvertrag musste eine Arbeitnehmerin „auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig … werden”,

wobei der Vertrag keine ausdrücklichen Regelungen zur Arbeitszeit enthielt. Hieraus folgerte die Arbeitnehmerin, die ein Jahresgehalt von ca. 95.000,00 Euro brutto bezog, dass sie vertraglich nicht verpflichtet sei, betriebsüblich 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie müsse vielmehr überhaupt nicht an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein, wobei Ihre Arbeit nicht in Zeiteinheiten zu messen sei.

Angesichts dieser paradiesischen Vorstellungen und zwischenzeitlich  700 Minusstunden beschritt der Arbeitgeber den Rechtsweg und obsiegte auch von den Erfurter Richtern. Nach Auffassung des BAG gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart, wenn in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt ist. Der Arbeitsvertrag setze als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer dem Zeitmaß enthobenen Arbeitspflicht bestünden nicht. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, Vergütung für Zeiten zu leisten, in denen die Arbeitnehmerin nicht gearbeitet habe.

RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp August 2013 Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuch

Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuch

Mit Urteil vom  28.03.2012 (55 Ca 2426/12) hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass eine Stellenbewerberin um eine Ausbildungsstelle in einer Zahnarztpraxis wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit diskriminiert wird,

wenn sie bereits vor dem Abschluss des Bewerbungs-verfahrens aus dem Kreis der in Betracht zu ziehenden Bewerber ausgeschlossen wird, weil sie auf Nachfrage angibt, das Kopftuch auch während der Arbeitszeit  nicht ablegen zu wollen.

Der gewollte Ausschluss von Personen, die sich zum Islam bekennen und ihn auf ihre Art leben, stelle zwingend eine Andersbehandlung wegen der Religion dieser Personen dar.  Es bestünde auch keine Notwendigkeit, während der Tätigkeit in der Zahnarztpraxis aus zahnmedizinischen Gründen ein Kopftuch nicht zu tragen. Das Kopftuch sei nicht in stärkerem Maße ein Träger von Gesundheits-gefahren – etwa von Erregern oder Schmutz – als das menschliche Haupthaar. Es lasse sich mit Haube und Mundschutz ebenso leicht kombinieren wie mit einer einheitlichen Kleidung bestehend aus weißen Hosen, Hemden, T-Shirts oder Blusen.

Der abgelehnten Bewerberin wurde ein Schadensersatz  von drei Monatsbruttoentgelten zugbilligt, die sie im hypothetischen Ausbildungsverhältnis verdient hätte.

RA Michael Lennartz

 

Rechtstipp Juli 2013 Kündigung in kleiner Zahnarztpraxis treuwidrig?

Landesarbeitsgericht Mainz: Kündigung in kleiner Zahnarztpraxis treuwidrig?
Interessant ist eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Mainz (LAG) vom  18.04.2013 (10 Sa 10/13), die sich mit der Frage befasst, ob auch in einer kleinen Zahnarztpraxis mit nur wenigen Mitarbeitern eine fristgemäß erklärte Kündigung treuwidrig sein kann.

Der Fall:

Ein Zahnarzt, der regelmäßig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte, kündigte einer Rezeptionsmitarbeiterin fristgemäß zum 31.08.2012. Die Mitarbeiterin erhob gegen die Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht Mainz, wobei sie die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend machte und zumindest einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben anführte.

Das Arbeitsgericht Mainz wies die Klage in der Vorinstanz  mit Urteil vom 31.10.2012 (1 Ca 1221/12) ab. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde aufgrund der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung.  Zudem habe der Zahnarzt für die Kündigung auch einleuchtende Gründe im Sinne einer unternehmerischen Entscheidung aufgeführt, die selbst bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf Willkür zu überprüfen wären.

Die Entscheidung:

Auch das LAG Mainz konnte keine Unwirksamkeit der Kündigung ersehen.  Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes fänden auf das Arbeitsverhältnis nach § 23 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Der Beklagte beschäftigt ein seiner Zahnarztpraxis unstreitig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer. Auch die Annahme des Arbeitsgerichts, die ordentliche Kündigung des Beklagten verstoße nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), sei nicht zu beanstanden.

Keine Willkür

Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt habe, sei die Vorschrift des § 242 BGB auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Eine Kündigung verstoße deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletze, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Es gehe vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen.  Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheide aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorläge.

Soziale Rücksichtnahme

Wenn bei einer Kündigung eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen sei, müsse auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Dies bedeute jedoch nicht, dass damit im Kleinbetrieb die Grundsätze des § 1 KSchG über die Sozialauswahl entsprechend anwendbar wären. Sei allerdings auf den ersten Blick erkennbar, dass der Arbeitgeber einen erheblich weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer weiterbeschäftige, so spreche dies dafür, dass er das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen habe und deshalb die Kündigung treuwidrig sei.

In dem konkreten Fall verneinte das LAG eine treuwidrige Kündigung.  Es sei Teil der unternehmerischen Freiheit des Beklagten, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er seine zukünftige Berufstätigkeit als Zahnarzt altersbedingt einschränken bzw. inwieweit er künftig mit weniger Personal arbeite. Der Arbeitgeber im Kleinbetrieb müsse zur Begründung der Kündigung, die er auf betriebsbedingte Gründe stütze, nur so viel vortragen, dass der Vorwurf der Treuwidrigkeit ausscheide. Der Zahnarzt dürfe sich daher damit begnügen, vorzutragen, dass er die bisherigen Aufgaben der Klägerin unter den verbleibenden Mitarbeitern aufteilt.

RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp Juni 2013 Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers

Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers
BFH fordert räumliche Trennung zwischen beruflich und privat genutzten Räumen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Aufwendungen für die berufliche Nutzung der zweiten Wohnung, die sich im Obergeschoss eines ausschließlich von dem Kläger und seiner Familie genutzten Zweifamilienhauses befinden, unter die Abzugsbeschränkung für ein häusliches Arbeitszimmer fallen und somit lediglich pauschal in Höhe von 2.400 DM beziehungsweise 1.250 Euro steuerlich zu berücksichtigen sind.

Darauf verweist der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. April 2013 zu seinem Urteil vom 15. Januar 2013 Az.: VIII R 7/10.

Der Kläger erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Erfinder. Für die Erstellung von Patenten benötigte er zahlreiche Unterlagen und umfangreiche Fachliteratur, sodass er ein ausschließlich beruflich genutztes Büro unterhielt. Dieses befand sich im Obergeschoss des von ihm und seiner Familie bewohnten Zweifamilienhauses. Eine direkte Verbindung zwischen den zum Büro gehörenden Räumlichkeiten im Obergeschoss und dem Wohnbereich der Kläger im Erdgeschoss bestand nicht. Der Zugang zum Obergeschoss war nur über einen separaten Treppenaufgang möglich, der über eine eigene Eingangstür verfügte. Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung die auf die Büroräume entfallenden Aufwendungen in voller Höhe geltend. Das Finanzamt ließ dagegen nur die für ein häusliches Arbeitszimmer geltende Pauschale von 2.400 DM zum Abzug zu. Vor Gericht argumentierte der Kläger, das Arbeitszimmer sei nicht häuslich und unterfalle deshalb nicht der Abzugsbeschränkung. Das Finanzgericht folgte dem und gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, so Passau.

Der BFH rechnet das Arbeitszimmer noch dem häuslichen Bereich zu. Der für die Annahme der Häuslichkeit erforderliche Zusammenhang der beruflich und privat genutzten Räume entfällt erst, wenn das Arbeitszimmer über eine der Allgemeinheit zugängliche und auch von anderen Personen genutzte Verkehrsfläche zu erreichen ist. Im vorliegenden Fall wurden jedoch das gesamte Grundstück und Gebäude ausschließlich von dem Kläger und seiner Familie genutzt, sodass die baubedingte räumliche Trennung zwischen den beruflich und den privat genutzten Räumen nicht so stark ausgeprägt war, dass der Zusammenhang zur häuslichen Sphäre hinreichend gelöst war.

 

Rechtstipp Mai 2013 BSG: Gebührenerhebung für erfolglos durchgeführtes Widerspruchsverfahren durch K(Z)V zulässig

BSG: Gebührenerhebung für erfolglos durchgeführtes Widerspruchsverfahren durch K(Z)V zulässig

Sind die K(Z)Ven berechtigt für im Rahmen von Widerspruchsverfahren Gebühren zu erheben? Das BSG sagt JA, und weißt die Klage einer Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe endgültig ab (BSG, Urt. v. 06.02.2013, B 6 KA 13/12).

Die Klägerin hatte gegen einen Honorarbescheid Widerspruch eingelegt, den die beklagte Kassenärztliche Vereinigung zurückwies. Der Verfügungssatz zu II lautete: “Für dieses Widerspruchsverfahren wird eine Gebühr in Höhe von 100,00 Euro festgesetzt.” Zur Begründung bezog sich die KV auf ihre Gebührenordnung, die für erfolglose Widerspruchsverfahren Gebühren in dieser Höhe vorsieht.

Gegen diese Gebührenfestsetzung hat die Klägerin bei dem SG München erfolglos Klage erhoben, auch das Das LSG hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde nunmehr auch in der Revisionsinstanz durch das BSG bestätigt. Nach Ansicht des BSG sind die K(Z)Ven berechtigt, für Widerspruchsverfahren Gebühren zu erheben, soweit diese nicht erfolgreich sind. Zwar werden nach § 64 SGB X für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben, gleichwohl sei die Auferlegung von Kosten in begrenztem Umfang für den Fall eines erfolglosen Widerspruchs durch § 64 SGB X nicht gänzlich ausgeschlossen.

Rechtsgrundlage für die hier streitige Kostenregelung für das Widerspruchsverfahren ist § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Danach muss die Satzung der KV insbesondere Bestimmungen über Aufbringung und Verwaltung der Mittel enthalten. In dieser Regelung sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung die Ermächtigungsgrundlage für Vorschriften über die “Festsetzung von Verwaltungskosten” (vgl zuletzt SozR 4-2500 § 81 Nr. 4 RdNr 13; aaO § 81 Nr 3 RdNr 15; SozR 3-2500 § 81 Nr. 5 S 12 noch zu § 368m RVO, aber mit Hinweis auf § 81 Abs 1 SGB V). Da die Vorschrift keine näheren Vorgaben für die Ausgestaltung der Erhebung von Beiträgen durch die KVen macht, sind Art und Weise der Einnahmenerhebung dem Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers überlassen, der dabei die allgemeinen Grundsätze des Beitragsrechts sowie den Gleichheitssatz zu beachten hat (BSG SozR 4-2500 § 81 Nr 4 RdNr 13).

Der Umstand, dass jeder Vertragsarzt mit seinem Verwaltungskostenbeitrag die allgemeine Tätigkeit der KV bereits finanziert, schließe nicht aus, dass für besondere Tätigkeiten, die vom Vertragsarzt veranlasst werden und erhöhten Aufwand und Kosten verursachen, Gebühren erhoben werden. Aus der allgemeinen Finanzierungsregelung des § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V könne vielmehr auch die Berechtigung zur Erhebung von Gebühren abgeleitet werden.

Dr. Robert Kazemi

 

 

Rechtstipp April 2013 BGH-Urteil: Schadensersatzanspruch bei Internet-Ausfall

BGH-Urteil: Schadensersatzanspruch bei Internet-Ausfall

Schadenersatz für Internetausfall?Wenn der DSL-Anschluss lahmt: mit Surfsticks ins Internet Telekommmunikation: Mehr Rechte für Verbraucher Politik diskutiert “Universaldienst” für den Weg ins Internet

Karlsruhe – Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs haben Internet-Nutzer Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Internet-Anschluss ausfällt. Der Internetzugang sei auch im privaten Bereich von zentraler Bedeutung für die Lebensführung, entschied der BGH am Donnerstag. Aus diesem Grund bestehe auch ohne Nachweis eines konkreten Schadens ein Ersatzanspruch, wenn die Nutzungsmöglichkeit entfällt. Das gleiche gelte für den Telefonanschluss. Konkrete Summen nannte der BGH nicht (Az.: III ZR 98/12).

Damit zählen Internet und Telefon für den BGH zu den wenigen Wirtschaftsgütern, bei denen sich ein Ausfall typischerweise “auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt”. Das ist Voraussetzung für einen derartigen Ersatzanspruch und war bislang vor allem für Kraftfahrzeuge und Wohnhäuser anerkannt.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sah sich durch das Urteil in der Ablehnung von Netzsperren bekräftigt. Internetnutzung sei ein Bürgerrecht, erklärte sie. Die Piratenpartei sah “weitreichende Konsequenzen” für die Politik, wie Bundesvorstandsmitglied Klaus Peukert in einem Blogeintrag schrieb.
Wenn der Zugang zum Internet als elementar wichtig betrachtet werde, müssten die Kosten dafür beim Arbeitslosengeld berücksichtigt werden. Vorschläge, notorischen Urheberrechtsverletzern den Internetzugang zu sperren, gehörten zu den Akten gelegt, schrieb Peukert.

Im konkreten Fall hatte der Kunde eines Internetproviders seinen Tarif gewechselt – anschließend funktionierte der DSL-Anschluss zwei Monate lang überhaupt nicht mehr: Kein Internet, kein Festnetz, kein Fax. Der Mann aus Fürstenfeldbruck (Bayern) wollte Schadenersatz. Doch in den Vorinstanzen gewährten ihm die Gerichte nur die konkreten Mehrkosten für Mobilfunkgebühren und die Rechnungen eines anderen Anbieters.

Der BGH hob die Entscheidungen auf und verwies den Fall zurück an das zuständige Landgericht: Ähnlich wie beim Auto sei auch bei Telefon und Internet die “ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Bedeutung”. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands nutze das Internet täglich, argumentierte der BGH. “Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.”  Was die Höhe des Ersatzanspruchs angeht, beließ es der BGH bei allgemeinen Hinweisen. Viel dürfte es aber nicht werden: Der Anspruch richtet sich nach den durchschnittlichen Kosten für den Internetanschluss, abzüglich des Gewinns des Providers. Von den 50 Euro pro Tag, welche der Kläger gefordert hatte, dürfte dies eine gute Strecke entfernt sein.

Außerdem gibt es keinen Schadenersatz, wenn dem Anschlussinhaber ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und die Mehrkosten hierfür ersetzt werden. Deshalb hat der Kläger im konkreten Fall keinen Ersatzanspruch für den Ausfall des Telefonanschlusses – denn er nutzte in dieser Zeit ein Mobiltelefon und bekam die Kosten ersetzt.

Auch beim Internetanschluss wäre ein derartiger Ersatz im Prinzip möglich, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schlick bei der Urteilsverkündung. Ob hierzu allerdings schon ein internetfähiges Telefon ausreichen könnte – wie in der mündlichen Verhandlung diskutiert wurde -, musste der BGH nicht entscheiden.