Rechtstipp August 2009 Der Sachverständige bei der Beurteilung des Invisalign-Verfahrens

Der Sachverständige bei der Beurteilung des Invisalign-Verfahrens
Eine Zusammenfassung der Urteile von RA Michael Zach, Mönchengladbach

Der Streitigkeiten um die Erstattung eine Invisalign-Behandlung gibt es viele. RA Michael Zach hat die Urteile zusammengefasst und bewertet. Aus der KFO-Zeitung, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag

Neues aus der PKV-Erstattungspraxis, Schwerpunkt KFO

Versicherer bedienen sich zur Leistungsprüfung ihrer Beratungszahnärzte. Zur Überprüfung der Ablehnungsentscheidungen beauftragt das Zivilgericht dann einen Sachverständigen. Er prüft dann, ob die Behandlungsplanung als medizinisch notwendige Behandlung i.S.v. § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen der privaten Krankenversicherungen einzustufen ist. Dies ist bereits dann der Fall, wenn es aus einer ex ante Perspektive objektiv immerhin vertretbar erscheint, eine Behandlung wie im Behandlungsplan ausgewiesen dem Patienten anzuraten. Sofern es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über die PKV-Erstattungspflicht des Invisalign®-Verfahrens überhaupt kommt, hat sich die Behandlungsplanung der zertifizierten Anwender bisher stets als richtig bestätigt.

Das Landgericht Lüneburg (5 O 364/07, Urt. v. 13.01.2009) bejahte nun zu Gunsten einer 11-jährigen Patientin die Erstattungspflicht bei der die engstehend retrudierte Front bei Lückeneenge 13, 23 (OK) und die protrudierte Front in Supraposition (UK) durch eine Invisalign®-Behandlung therapiert wurde. Der Beratungszahnarzt hatte die Vertretbarkeit dieses Therapieansatzes zuvor verneint, weil er hierin eine aufwändige Zahnbewegung zur Korrektur einer skelettalen Dysgnathie erkannte und deren Therapie nach der generellen Stellungnahme des Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie aus dem Jahre 2004 und im vorliegenden Behandlungsfall kontraindiziert sei. Der gerichtliche Sachverständige, der über eine 25-jährige Berufserfahrung verfügt und bereits seit 2001 mit dem Invisalign®-System arbeitet, bestätigte jedoch die Therapieplanung des behandelnden Arztes. Das Gericht ist ihm gefolgt und hat die Versicherung zur Zahlung verurteilt. Nunmehr wurde Zivilklage erhoben wegen der Kostenerstattung der beiden Geschwister dieser Patientin, deren Behandlung mit Invisalign® derselbe Beratungszahnarzt ebenfalls abgelehnt hat. Die Eltern der Patientin konnten sich durchsetzen, weil sie außer einer Krankenversicherung auch noch eine Rechtsschutzversicherung unterhielten.

Das Landgericht Lüneburg (5 O 86/06, Urt. v. 20.02.07) war bereits zuvor in einem anderen Fall der Meinung dieses Beratungszahnarztes nicht gefolgt und gab der Patientenklage auf Kostenerstattung statt. Auch dort hatte er die medizinische Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung einer Dysgnathie mittels Invisalign®-Schienen verneint. Diese Beurteilung hatte nach der Einschätzung des Landgerichtes Lüneburg ihrerseits den Rahmen des kieferorthopädisch Vertretbaren verlassen, soweit es um die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit i.S.d. Versicherungsbedingungen gegangen war.

Das Amtsgericht München (223 C 31469/07, Urt. v. 30.10.08) ließ eine Stellungnahme überprüfen, auf die die Versicherung ihre Leistungsablehnung stützte. Die unabhängige Sachverständige konnte dem Beratungszahnarzt nicht folgen, der sogar jedweden kieferorthopädischen Behandlungsbedarf verneint hatte. Er hatte auch noch den Hauptindikationsbereich dieser Behandlung laut der Stellungnahme der Fachgesellschaft DGKfO (dentoalveoläre Korrekturen bei pro- und Retrusion der Front, moderatem frontalen Engstand, geringe In- und Extrusion, Einsatz von Attachements) schlicht nicht berücksichtigt. Auch hier wurde die Versicherung verurteilt, die Kosten der Invisalign®-Behandlung zu erstatten. Es war hier ein Beratungszahnarzt für die Versicherung tätig geworden, der in anderweitige einen gerichtlichen Gutachtensauftrag abgelehnt hatte mit der Begründung, er besitze nicht die zur Begutachtung des Invisalign®-Systems notwendige Kenntnis und Erfahrung.

Der Sachverständige des LG Nürnberg/Fürth (2 O 7187/06) hatte sich mit dem Einwand der Versicherung auseinanderzusetzen, die Invisalign®-Methode sei zur Behebung extremer Engstände nicht geeignet, was sich schon daraus ergebe, dass diese Indikation in der Stellungnahme der Fachgesellschaft nicht ausdrücklich benannt sei und damit kontraindiziert sei. Der Gutachter weist jedoch darauf hin, dass es sich dabei lediglich um eine Stellungnahme handele, die „aufgrund der gewachsenen klinischen Erfahrungen und erster noch unveröffentlichter wissenschaftlicher Erkenntnisse“ im Januar 2004 verfasst worden war. Aus dem Umstand, dass darin die Diagnosen „extremer Frontengstand“ und extreme Protrusion der Front“ im Hauptindikationsbereich“ bzw. unter „bedingt geeignet“ nicht genannt seien, lassen nicht automatisch auf eine Kontraindikation schließen. Die vorgesehenen Maßnahmen erwiesen sich damit nicht als kontraindiziert, sondern als medizinisch notwendig iSd Versicherungsbedingungen.

Das Amtsgericht Saarbrücken (5 C 828/07, Urt. v. 20.06.08) sprach der 51-jährigen Patientin mit Angle Klasse II, einer Nonokklusion bei 27, 37, einer sagitalen Stufe und Lücken im OK-Frontzahnbereich die Kostenerstattung für Invisalign® zu. Der Beratungszahnarzt hatte demgegenüber behauptet, dieses Verfahren sei nur zur Korrektur einfacher Fehlstellungen wie bei einem Lückenschluss geeignet und statt dessen zu einer kombiniert kieferorthopädische-kieferchirurgische Behandlung geraten. Außerdem sprach das Gericht den Ersatz der Aufwendungen für das Duplizieren der von der Versicherung angeforderten Modelle zu. Die Versicherung hatte sich zuvor geweigert, diesen Aufwand des Patienten zu erstatten. Offensichtlich hatte sich die Versicherung in der Lage gesehen, die Leistung abzulehnen, ohne zuvor alle Befundunterlagen ausgewertet zu haben.

In dem vom Landgericht Köln (23 O 239/05, Urt. v. 30.01.08) entschiedenen Fall hatte ein Berater behauptet, dass die geplante kieferorthopädische Behandlung nicht als indiziert betrachtet werden könne und dass bei dem Invisalign®-System über die Schienen keine voll körperlich definierten Kräfte auf die zu bewegenden Zähne ausgeübt würden, sondern es wirkten im wesentlichen Kräfte durch Druck auf die klinischen Kronen, die im stark parodontal geschädigten Gebiss der Patientin nicht mehr indiziert seien. Da die Versicherte eine skelettale Dysgnathie der angle-Klasse 2, I habe, sei eine Behandlung mittels Invisalign® nicht mehr vertretbar. Dem gegenüber stellte der gerichtlich beauftragte Sachverständige fest, dass die Invisalign®-Methode durchaus geeignet sei, Zahnfehlstellungen im parodontal vorgeschädigten, aber nicht akut entzündlich veränderten Gebiss zu beheben. Sie biete nämlich im Gegensatz zu alternativen Behandlungsmitteln –wie Multiband/Multibrakettapparatur– besonders im vorliegenden Fall deutliche Vorteile: Mit den Schienen könnten große, passive Verankerungseinheiten gebildet werden, die eine gezielte Einzelzahnbewegung ermöglichen. Ein okklusales Trauma, auch bereits durch physiologische Kaukräfte („jiggling“), werde dadurch verhindert. Mit einer erhöhten Anzahl von Schienenpaaren von vorliegend 48 können die Behandlungsschritte der parodontalen Situation angepasst und dementsprechend klein gestaltet werden. Eine vermehrte Plaqueansammlung könne mit diesem Behandlungsansatz vermieden werden, so dass die Mundhygiene deutlich erleichtert werde im Vergleich zu anderweitigen Therapieansätzen.

Das Amtsgericht Stuttgart (11 C 2023/07, Urt. v. 03.03.08) ließ sich durch einen unabhängigen Sachverständigen beraten, der die Ablehnungsentscheidung der Beratungszahnärzte der Invisalign®-Behandlung verwarf. Die Versicherungsgesellschaft hat dann ihre Leistungspflicht anerkannt, um einer schriftlichen Urteilsbegründung zu entgehen.

Auch das Landgericht Koblenz (14 S 388/03, Urt. v. 16.03.06) hielt die Stellungnahme des Beratungsarztes für nicht belastbar und sprach der Klägerin die Behandlungskostenerstattung für das Invisalign®-Verfahren zu. Die Korrektur mit diesem Verfahren könne auch einem 11-jähringen jedenfalls dann als medizinisch notwendig bezeichnet werden, wenn alle beliebenden Zähne bereits durchgebrochen seien.

Mit freundlicher Genehmigung von:

Rechtsanwalt Michael Zach, Kanzlei für Medizinrecht
Volksgartenstrasse 222a, 41065 Mönchengladbach
Tel.: 02161 6887410
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Rechtstipp Juli 2009 Das Dentalmikroskop in der Endodontie

Das Dentalmikroskop in der Endodontie
Nur Verbesserung oder wirklich was Neues/Anderes ?

Zur streitigen analogen zusätzlichen Berechnung sind zwar immer noch keine Urteile ergangen, in zwei Verfahren jedoch Gutachten erstellt worden, die zur kompletten Zahlung durch die beklagte Versicherung und damit zur Verfahrenseinstellung führten. Hier alle Informationen und beide Gutachten.

Es ist unstreitig, dass ein Dentalmikroskop eine ganz erhebliche Verbesserung in der Endodontie bewirkt, nicht nur im Auffinden der zahlreichen zusätzlichen Wurzelkanäle. Durch die tiefe Sicht in den Wurzelkanal ist die Erkennung pathologischer Zustände möglich, ebenso können Obliterationen und Stufen sonoabrasiv überwunden, alte Wurzelfüllungen oder Fremdkörper unter Sicht entfernt wie auch schwierige orthograde Wurzelfüllungen etwas bei einer intrakanalären oder apikalen Perforation sicher gelegt werden. Diese Leistungen sind selbstständig und unabhängig von anderen Therapieschritten; die bloße Erhöhung des Steigerungsfaktors einer anderen Leistung als Ausgleich für den Aufwand ist daher gebührenrechtlich unzutreffend. So umfasst die „Aufbereitung eines Wurzelkanals“ (GOZ 241) umfasst nicht die Entfernung eines Fragments. Eine Forderung, den Einsatz des Dentalmikroskops zur Entfernung des Fragments allein über den Steigerungsfaktor zu berechnen, ist deshalb inhaltlich nicht korrekt.

Ähnlich verhält es sich bei Obliterationen. Während bei der Position 241 ein vorhandener Wurzelkanal vorausgesetzt wird, der zu instrumentieren ist, fehlt die Zugänglichkeit im Fall einer Obliteration. Der substanzschonende Abtrag des Reizdentins bis zu einem wieder instrumentierbaren Wurzelkanal ist heute mit Hilfe des Dentalmikroskops möglich; artifizielle Perforationen können damit unter Anwendung des Verfahrens vermieden werden.

Die gelegentlichen Empfehlung weniger Zahnärztekammern, bei Verwendung des DM doch einfach den Steigerungsfaktor für die endodontischen Positionen zu erhöhen beziehungsweise eine Honorarvereinbarung abzuschließen, ist daher gebührenrechtlich falsch.

Die Investitionen für Anschaffung, spezielles Instrumentarium und Betrieb sowie der Zeitbedarf für die lange Einarbeitungsphase und Therapie sind ganz erheblich; die Zahl der Nutzer eines Dentalmikroskops steigt jedoch ständig.

Im Gegensatz zur ärztlichen Gebührenordnung (Ä440, nur bei ambulanten chirurgischen Leistungen) ist die Verwendung eines Dentalmikroskops in der GOZ nicht geregelt. Daher wird korrekterweise eine analoge Berechnung durchgeführt, welche oftmals den Widerstand von Kostenerstattern nach sich zieht.

Argumentiert wird dagegen, dass es Mikroskope schon lange gäbe und ihre Verwendung daher nicht neu sei. Außerdem beinhalte die Verwendung des Mikroskops lediglich eine Verbesserung der Sicht und sei deshalb kein selbständiges Behandlungsverfahren, sondern Teil des Leistungsinhaltes; damit sei eine Analogie nicht gerechtfertigt.

Leider gab es bislang keine Urteile zum Thema, bis zwei Kollegen Gerichtsverfahren angestrengt haben. Die von den Gerichten benannten Gutachter haben sich eindeutig für das Dentalmikroskop als etwas Neues und damit die analoge Berechnungsmöglichkeit ausgesprochen.

Dies hatte zur Folge, dass in beiden Fällen die beklagten Versicherungen die komplette Übernahme der Forderungen anboten und die Verfahren somit ohne Urteil endeten.

Diese Taktik wird von PKVen gerne angewandt, um eine für sie negative Entscheidung zu vermeiden – so auch hier.

Leider gibt es daher keine Urteile, aber immerhin zwei Aktenzeichen und zwei die Analogie befürwortende Gutachten von Hochschullehrern; darauf kann in einer Korrespondenz verwiesen werden.

Großer Dank gebührt den Autoren Prof. M. Hülsmann und PD Dr. Thomas Schwarze für die Erlaubnis der Veröffentlichung sowie den beteiligten Endo-Spezialisten Michael Arnold und Gabriel Tulus, die dafür viel Zeit und Energie aufbringen mussten.

Ein Textbaustein für die Korrespondenz sowie beide – sehr lesenwerte – Gutachten in der Anlage.


Textbaustein für die Korrespondenz

**** Nicht zutreffendes streichen/ändern

Textbaustein für die Korrespondenz

***** Im Rahmen der geplanten / durchgeführten Wurzelbehandlung wird/wurde ein Dentalmikroskop eingesetzt, die separate Berechnung als sog. „analoge Leistung“ nach § 6 Abs. 2 GOZ allerdings vom Kostenerstatter nicht anerkannt. Dies mit dem Hinweis, dass es sich hierbei um eine nicht selbstständige Leistung im Zusammenhang mit endodontischen Behandlungmaßnahmen handeln würde, die daher nicht analog berechnet werden dürfe.

***** Auch der über eine Honorarvereinbarung angesetzte Gebührensatz wird/wurde als zu hoch bezeichnet bzw. die Honorarvereinbarung als solche angezweifelt.

In zwei ähnlich gelagerten Fällen wurden Gerichtsverfahren angestrengt (Amtsgericht Dresden, AZ: 101 C 8285/07 und Amtsgericht Viersen, AZ: 31 C 119/08).

Die von den Gerichten beauftragten Gutachter sind auf Wurzelbehandlung spezialisierte deutsche Hochschullehrer. Sie kamen übereinstimmend zu der Aussage, dass

– das Dentalmikroskop seine Praxisreife erst nach Inkrafttreten der GOZ erlangt hat

– seine Verwendung eine eigenständige Leistung ist und keinen Bestandteil der Aufbereitung von Wurzelkanälen darstellt

– mit ihm separate diagnostische und therapeutische Leistungen für die Erkennung und Behandlung zusätzlicher Kanäle, pathologischer Prozesse und mechanischer Probleme erbracht werden können

– es somit eine eigene Therapieform darstellt

und daher die analoge Berechnung gebührenrechtlich korrekt ist.

Hingewiesen wird auf die ärztliche Gebührenordnung, in der mit der Position Ä440 die zusätzliche Berechnung eines Operations-Mikroskops bei chirurgischen Leistungen ausdrücklich vorgesehen ist.

Ein hoher Steigerungssatz für aufwändige Wurzelbehandlungen ist nach Ansicht der Gutachter aufgrund der Schwierigkeit und des erheblichen Zeitbedarfs angemessen

In beiden Verfahren wurde nach Vorlage der Gutachten der streitige Betrag wohlweislich von der Versicherung an die Patienten ausgezahlt; damit endeten die Verfahren ohne Gerichtsurteil.

Immerhin gibt es aber zwei Gutachten, welche die zusätzliche Berechenbarkeit des Dentalmikroskops eindeutig befürworten; damit erfolgt die Liquidation als analoge Leistung zu Recht.


Gutachten Prof. Dr. Hülsmann

Gutachterliche Stellungnahme zu den Fragen des Beweisbeschlusses im Rechtsstreit XXXXX ./. YYYYY

Im Rechtsstreit

Dr. Gabriel XXXXX ./. Hermann-Josef YYYYY

vor dem Amtsgericht Viersen, AZ 31 C 119/08

bin ich mit Schreiben vom 4.2.09 zur Beantwortung der folgenden Fragen des Beweisbeschlusses vom 26.8.2008 (Prozessakten Blatt 64-66) aufgefordert:

1. Wurde das Dentalmikroskop erst nach dem 1.1.1988 zur Praxisreife entwickelt und stand es erst nach diesem Zeitpunkt zum praktischen Einsatz zur Verfügung?

2. Wenn ja, stellt die Anwendung des Dentalmikroskopes eine selbständige zahnärztliche Leistung dar oder ist die Anwendung des Dentalmikroskopes Bestandteil oder eine besondere Ausführung der Aufbereitung eines Wurzelkanals nach Nr. 241 des Gebührenverzeichnisses oder einer anderen Leistung des Gebührenverzeichnisses dar, die in der Rechnung der Kläger vom 25.09.2007 abgerechnet wurde?

3. Wenn die Anwendung des Dentalmikroskopes eine selbständige Leistung darstellt: ist die Anwendung des Dentalmikroskopes zu der Leistung gemäß Nr. 502a des Gebührenverzeichnisses nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig?

4. Ist der für die unter dem 21.08.2007 und unter dem 4.09.2007 jeweils im Gebiet 27 und im Gebiet 26 erfolgte Exstirpation der vitalen Pulpa, die Aufbereitung des Wurzelkanals und die Füllung des Wurzelkanals jeweils angesetzte Faktor von 5,5 und von 8,5 gemäß der Rechnung im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen, der Umstände bei der Ausführung und der Schwierigkeit des Krankheitsbildes angemessen?

Zur Beantwortung der genannten Fragen und zur Erstellung des Gutachtens wurden die folgenden Unterlagen aus der Prozessakte herangezogen:

CD-Rom mit den angefertigten Röntgenaufnahmen der Zähne 26, 27, 14

Die Fragen des Beweisbeschlusses möchte ich nach bestem Wissen und Gewissen wie folgt beantworten:

1. Wurde das Dentalmikroskop erst nach dem 1.1.1988 zur Praxisreife entwickelt und stand es erst nach diesem Zeitpunkt zum praktischen Einsatz zur Verfügung?

Zur Beantwortung dieser Frage wurde die aktuelle endodontische Fachliteratur gesichtet.

Die erste Beschreibung des Einsatzes eines Dentalmikroskopes in der Endodontie wird auf das Jahr 1975 datiert, 1986 würdigt Selden in der amerikanischen Literatur in einem Beitrag die verbesserten Möglichkeiten in der Wurzelkanalbehandlung bei der Arbeit mit dem Mikroskop. Vermehrte Publikationen in der deutschsprachigen und internationalen Fachliteratur finden sich aber erst Anfang der 90er Jahre. Erst Mitte der 90er Jahre erfolgte in den USA die breitere Integration des Mikroskopes in die studentische Ausbildung. Das erste amerikanische Ausbildungszentrum für mikroskopische Endodontie wurde 1992 in Philadelphia von Kim eröffnet. 1998 wurde die Ausbildung am Mikroskop von der American Dental Association zum Pflichtbestandteil der amerikanischen Ausbildung für Endodontie-Spezialisten ernannt.

In Deutschland wurde 1997 an der Universität Düsseldorf das erste (und bislang einzige) Mikroskopiezentrum eröffnet, ungefähr zeitgleich gründete sich die Studiengruppe für Mikroskopie in der Zahnheilkunde, aus der sich später die Deutsche Gesellschaft für Endodontie entwickelte.

Mit Ausnahme einer extrem geringen Anzahl von Zahnärzten war das Dentalmikroskop bis weit in die 90er Jahre in der Endodontie nicht bekannt und wurde auch entsprechend nicht angewendet.

In den gängigen Endodontie-Lehrbüchern wird das Mikroskop vor 1990 nicht erwähnt.

Die zunächst für die Oralchirurgie konzipierten Mikroskope der 80er Jahre wurden speziell für endodontische Belange modifiziert, wurden zu Dentalmikroskopen; dies beinhaltete verbesserte Optiken mit bis zu 30facher Vergrößerung, hohe Gerätebeweglichkeit bei ausreichender Standsicherheit, koaxiales Lichtzufuhr mit bis zu400 klx, die eine gute Ausleuchtung auch der anatomischen Feinstrukturen in der Tiefe des Wurzelkanals zulässt.

Wie die folgende Literaturauswahl demonstriert, stammt der weit überwiegende Teil der endodontischen Fachliteratur zur Thematik des Dentalmikroskopes und seiner Anwendung zur Wurzelkanalbehandlung aus der Zeit nach 1990.

Literaturauswahl:

Nylen CO: The microscope in oral surgery: Its first use and later development. Acta Otolaryngol 1921, 116: 226.
Baumann R: Was bietet das Operationsmikroskop dem Zahnarzt? Quintessenz 1975, 26: 33-34.
Baumann R: Endodontie und Operationsmikroskop. Quintessenz 1975, 26:55-58.
Arnold M, Klimm W: Das Dentalmikroskop in der studentischen Endodontie-Ausbildung. Endodontie 2000; 13: 37-46.
Guidelines and recommendations resulting from the Annual Meeting of ESDE on June 14th and 15th 2002, Piestany (Slovakia). http://www.esde.org/Guidelines/guidelines.html
Zaugg B, Stassinakis A, Hotz P: Einfluss von Vergrößerungshilfen auf die Erkennung nachgestellter Präparations- und Füllungsfehler. Schweiz Monatsschr Zahnmed 2004, 114: 890-896.
Beer R, Mayerhöfer G: Fortschritte in der Endodontie – Die operationsmikroskopgestützte Wurzelkanalbehandlung. Quintessenz 1995, 46: 1437-1450.
Velvart P: Das Operationsmikroskop. Neue Dimensionen in der Endodontie. Schweiz Monatsschr Zahnmed 1996, 106: 356-367.
Kim S: Principles of endodontic microsurgery. Dent Clin North Am 1997; 41: 481-497.
Castellucci MD: Magnification in endodontics: the use of the operating microscope. Endodontic Practice 2003, 6:29-36.
Ruddle C: Endodontic perforation repair: utilizing the operating microscope. Oral Health 1997, 87:21-25.
Wong R; Cho F: Microscopic management of procedural errors. Dent Clin North Am 1997, 41: 455-479.
Imura N, Hata GI, Toda T, Otani SM, Fagundes MI: Two canals in mesiobuccal roots of maxillary molars, Int Endod J 1998; 31: 410-414.
Schwarze T, Baethge C, Stecher T, Geurtsen W: Identification of second canals in the mesiobuccal root of maxillary first and second molars using magnifying loupes or an operating microscope. Aust Endod J 2002; 28: 57-60.
Saunders WP, Saunders E. Conventional endodontics and the operating microscope. Dent Clin North Am 1997, 41: 415428
Arnold M. Visualisierung. In: Hülsmann M, Schäfer E. (Hrsg.) Probleme in der Endodontie: Prävention, Diagnostik, Management. Quintessenz-Verlag 2007.
Arnold M. Das Dentalmikroskop – Grundlage für bewährte und neue Verfahren bei der Wurzelkanalbehandlung. Endodontie 2007; 16: 105-114.
Knowles KI, Ibarola JL, Ludlof MO. The dental operating microscope as an educational tool J Dent Educ 1998; 62:429-431.
Alacam T, Tinaz A, Genc Ö, Kayaoglu G: Second mesiobuccal canal detection in maxillary first molars using microscopy and ultrasonics. Aust Endod J 2008; 34:106-109.

Es gab zwar 1988 bereits Mikroskope für den Einsatz in der Oralchirurgie, die auch in der Endodontie hätten eingesetzt werden können. Es kann aber den obigen Ausführungen (und der wissenschaftlichen Fachliteratur) zufolge nicht davon ausgegangen werden, dass das Dentalmikroskop bereits 1988 in der Endodontie verankert oder unter Zahnärzten bekannt oder gar verbreitet gewesen wäre. Es fehlte zudem an Zusatzinstrumentarium wie etwa Lagerungshilfen, Behandlungsstühlen mit speziellen Armauflagen, langstieligen Instrumenten, spezielle Luftbläsern etc., die ein kontrolliertes Arbeiten unter den hohen Vergrößerungen erst ermöglichen und die erst in den letzten etwa 10-12 Jahren entwickelt wurden.

Eine Praxisreife zu diesem Zeitpunkt (1988) ist zu verneinen.

Zum damaligen Zeitpunkt wurde es bestenfalls (falls überhaupt) von einer äußerst geringen Zahl von Kollegen für die Wurzelkanalbehandlung genutzt. Es gab 1988 keinen Grund, den Einsatz dieses Mikroskopes in der zahnärztlichen Gebührenordnung für den Einsatz in der Endodontie zu berücksichtigen.

Es sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass auch heute noch nur eine Minderheit endodontisch weit überdurchschnittlich interessierter Kollegen ein Dentalmikroskop besitzt und benutzt.

2. Wenn ja, stellt die Anwendung des Dentalmikroskopes eine selbständige zahnärztliche Leistung dar oder ist die Anwendung des Dentalmikroskopes Bestandteil oder eine besondere Ausführung der Aufbereitung eines Wurzelkanals nach Nr. 241 des Gebührenverzeichnisses oder einer anderen Leistung des Gebührenverzeichnisses, die in der Rechnung der Kläger vom 25.09.2007 abgerechnet wurde?

Die Anwendung des Mikroskopes, dies umfasst die Häufigkeit seines Einsatzes und den Indikationsbereich seiner Anwendung ebenso wie die Art der Anwendung (Vergrößerung, Ausleuchtung etc.), unterliegt dem Willen und der Entscheidung des behandelnden Zahnarztes und ist somit integraler Bestandteil des Behandlungskonzeptes. Die Wurzelkanalpräparation ist Voraussetzung für die Wurzelkanalfüllung, somit letztlich nur ein notwendiger Zwischenschritt, wird aber dennoch zu Recht als eigenständiger Behandlungsschritt bewertet.

Dies gilt ebenso für den Einsatz des Dentalmikroskopes. Zu Beginn der Therapie stellt es ein essentielles diagnostisches Hilfsmittel dar. Es ist zweifelsfrei nachgewiesen, dass z. B. in Oberkiefermolaren signifikant häufiger ein zusätzlicher, vierter Wurzelkanal entdeckt wird, dessen Übersehen zu einem Misserfolg führen kann, wenn die gezielte Suche mit Hilfe eines Mikroskopes vorgenommen wird. Ähnliches gilt für das Auffinden von Rissen und Sprüngen und Frakturen der Zahnhartsubstanzen, Perforationen oder die Diagnostik und das Management von Stufen, Obstruktionen, anatomischen Problemen (Gabelungen, Konfluenzen) innerhalb des Wurzelkanals.

Dass bei direkter Ausleuchtung des kleinen und unübersichtlichen Operationsgebietes und der Arbeit mit bis zu 30facher Vergrößerung mehr und vor allem teilweise entscheidende Details zu erkennen und somit bessere Resultate zu erwarten sind, ergibt sich von alleine. Die Anwendung eine Mikroskopes kann dann eine besondere Ausführung der Wurzelkanalaufbereitung darstellen, wenn es nur hierzu benutzt wird, sie kann aber ebenso eine eigenständige Maßnahme zur Optimierung des gesamten Therapiekonzeptes darstellen und wird hierbei in der Regel mehrfach oder sogar permanent während unterschiedlicher Schritte der Wurzelkanalbehandlung benutzt.

Durch die häufige oder permanente Anwendung dieser Vergrößerungshilfe ändert sich der Charakter der Wurzelkanalbehandlung von einer rein orthograden, konservativen Wurzelkanalbehandlung hin zu einer mikrochirurgischen, minimal-invasiven Therapieform. Es werden nicht nur einzelne Behandlungsschritte optimiert, sondern die Therapieform insgesamt in Inhalt und Ablauf deutlich verändert. Die Arbeit unter dem Mikroskop erfordert den Einsatz speziellen Instrumentariums und eine modifiziert Arbeitsweise, stellt also auch insofern eine eigenständige Therapieform dar. Die Anwendung des Mikroskopes dient somit nicht nur der Optimierung einzelner Arbeitsschritte, sondern stellt eine Modifikation der gesamten Therapie dar.

Die Anwendung des Dentalmikroskopes stellt keinen Bestandteil von Leistungen aktueller zahnärztlicher Gebührenverzeichnisse dar.

Sie ist kein Bestandteil oder eine besondere Ausführung der Aufbereitung eines Wurzelkanals nach Nr. 241 des Gebührenverzeichnisses oder einer anderen Leistung des Gebührenverzeichnisses, die in der Rechnung der Kläger vom 25.09.2007 abgerechnet wurde.

3. Wenn die Anwendung des Dentalmikroskopes eine selbständige Leistung darstellt: ist die Anwendung des Dentalmikroskopes zu der Leistung gemäß Nr. 502a des Gebührenverzeichnisses nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig?

Bei Bemessung der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit einer Gebührenposition müssen jeweils u. a. der notwendige apparative Aufwand und der Zeitbedarf berücksichtigt werden, wobei letzteres retrospektiv und ausschließlich auf Aktenbasis nicht möglich ist. Aufbau und Justierung der Vergrößerungshilfe beeinflussen den Zeitaufwand ebenso wie die Position des zu behandelnden Zahnes in der Mundhöhle und die Fähigkeit und Geduld des Patienten, nahezu bewegungslos in einer Position zu verharren. Bereits kleinere Bewegungen des Kopfes verlangen eine Nachjustierung des Mikroskopes. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass alle unter dem Mikroskop durchgeführten Arbeitsgänge einen nicht unbeträchtlichenzeitlichen Mehraufwand bedingen.

Angesichts der Tatsache, dass die Behandlungen u. a. an den beiden schwer zugänglichen Oberkiefermolaren 26 und 27 unter extrem eingeengten räumlichen Bedingungen durchgeführt wurden und lediglich der einfache Steigerungssatz in Ansatz gebracht wurde, kann der berechnete Betrag von 73,11 Euro als angemessen betrachtet werden.

4. Ist der für die unter dem 21.08.2007 und unter dem 4.09.2007 jeweils im Gebiet 27 und im Gebiet 26 erfolgte Exstirpation der vitalen Pulpa, die Aufbereitung des Wurzelkanals und die Füllung des Wurzelkanals jeweils angesetzte Faktor von 5,5 und von 8,5 gemäß der Rechnung im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen, der Umstände bei der Ausführung und der Schwierigkeit des Krankheitsbildes angemessen?

Bei Betrachtung der Gebührenpositionen für die an den Zähnen 26 und 27 durchgeführten Behandlungen ist zunächst zu berücksichtigen, dass beide Zähne jeweils 4 Wurzelkanäle aufweisen, bzw. mit Hilfe des Dentalmikroskopes jeweils alle vier Wurzelkanäle entdeckt und lokalisiert wurden. Der „zusätzliche“ Wurzelkanal ist meistens extrem eng und kalzifiziert und weist keinen geradlinigen Verlauf auf. Dies erklärt, warum für beide Molaren 2 unterschiedliche Steigerungsfaktoren angesetzt wurden, für den zusätzlichen und schwieriger zu behandelnden Wurzelkanal der Faktor 8,5x, für die übrigen Wurzelkanäle der Faktor 5x. Dieser unterschiedlich hohe Schwierigkeitsgrad präsentiert sich dem Behandler sowohl bei der Exstirpation als auch bei Präparation, Spülung/Desinfektion wie dem abschließenden Füllen der Wurzelkanäle.

Molarenwurzelkanäle sind generell schwierig zu instrumentieren, da das Raumangebot für Instrumente und die Hände/Finger des Zahnarztes bei gleichzeitiger Sichtkontrolle extrem eingeschränkt ist, die Kanäle selbst nur schwer zugänglich, durchgängig unterschiedlich stark gekrümmt und häufig sehr stark kalzifiziert und somit eng sind. Dies resultiert u. a. in deutlich erhöhtem Zeitaufwand. Der Kenntnis des Gutachters zufolge werden von vielen Endodontie-Spezialisten, die häufig nicht die vom Behandler vorzuweisende Qualifikation als Spezialist für Endodontologie der deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung erworben haben, höhere Honorare berechnet, es kann also nicht von überzogenen Forderungen ausgegangen werden.

Anhand der vorgelegten Röntgenaufnahmen, die annäherungsweise Auskunft über den technischen Schwierigkeitsgrad der Behandlung und die Qualität der vorgenommenen Behandlung geben, lässt sich feststellen, dass die durchgeführte Therapie röntgenologisch höchsten Ansprüchen genügt und somit die Voraussetzungen für einen langfristigen und problemlosen Erhalt der behandelten Zähne verbessert.

Die vom Kläger angesetzten Steigerungsfaktoren erscheinen, auch und gerade in ihrer Differenzierung, dem Schwierigkeitsgrad und dem Zeitaufwand der Behandlungen angemessen.

Göttingen, 15.2.2009

Prof. Dr. M. Hülsmann


Gutachten PD Dr. Thomas Schwarze

Hinweis: Die im Gutachten angesprochenen Röntgenaufnahmen sind hier hicht darstellbar und liegen auch nur in unzureichender Qualität vor, die zugehörigen Kommentierungen wurden jedoch wiedergegeben.
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Sachverständigengutachten für das Amtsgericht Dresden, AZ: 101 C 8285/07

Rechtsstreit _________ Krankenversicherung gegen Dipl.-Stom. M. Arnold wegen Forderung

1. Einleitung

Gegenstand dieses Gutachtens ist eine Wurzelkanalbehandlung, die bei der Patientin Frau __________ vom Zahnarzt Herrn Dipl.-Stom. Michael Arnold am 23.05.2006 vorgenommen wurde. Die aufwändige Behandlung des Zahnes 48 (unterer rechter 3. Molar) fand unter Verwendung eines Dentalmikroskops statt. Dieses Gutachten setzt sich mit den im Beweisbeschluss vom 30.04.2008 genannten Fragestellungen auseinander:

War die Verwendung eines Dentalmikroskops zur Behandlung der Patientin __________ im konkreten Fall zahnmedizinisch notwendig? Hätte die Wurzelkanalbehandlung auch ohne Mikroskop durchgeführt werden können?

Ist die Analogberechnung der Ziffer 502 GOZ für den Einsatz eines Dentalmikroskops gerechtfertigt?

Ist die Analogberechnung der Ziffer 222 GOZ für die dentinadhäsive Rekonstruktion des Zahnes 48 gerechtfertigt?

Das Gutachten wurde auf Basis der Aktenlage sowie den vorgelegten Röntgenbildern erstellt. Auf eine körperliche Untersuchung der Patientin konnte bei der vorliegenden Fragestellung verzichtet werden.

2. Diskussion

Laut Behandlungsdokumentation stellte sich Frau __________ am 23.05.2006 in der Praxis des Beklagten zur Wurzelkanalbehandlung des Zahnes 48 vor. Der Zahn war aufgrund einer Infektion der Pulpa bereits vorher durch den Hauszahnarzt der Patientin trepaniert und endodontisch anbehandelt worden. Die Überweisung erfolgte auf Wunsch der Patientin zu Herrn Arnold, der zwei Monate zuvor schon zwei Wurzelkanalbehandlungen bei ihr durchgeführt hatte. Der Ausgangsbefund vom Januar 2006 ist in Bild 1 dargestellt.

Analogberechnung für die Verwendung eines Mikroskops

In der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vom 22.Oktober 1987 heißt es unter § 6 Absatz 2:

„Selbständige zahnärztliche Leistungen, die erst nach Inkrafttreten dieser Gebührenordnung auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt werden, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen berechnet werden.”

Die Klägerin führt an, dass es sich bei dem Einsatz des Dentalmikroskop nicht um eine selbständige ärztliche Leistung handele, da es nur dazu diene, Wurzelkanaleingänge vergrößert darzustellen. Die Verwendung des Dentalmikroskops stelle nur eine unselbständige Teilleistung im Rahmen der Wurzelkanalbehandlung dar.

Zu Abb. 1: Ausgangsbefund vom Januar 2008: Die Krone des Zahnes 48 ist mit einer röntgendichten Füllung versehen. An den Wurzelspitzen mesial und distal sind Aufhellung als Hinweis auf eine vorliegende apikale Parodontitis und eine bakterielle Infektion des Kanalsystems erkennbar. Der Zahn 47 weist distal eine kariöse Läsion auf. Beide Zähne stehen deutlich nach mesial gekippt. Die Wurzelspitzen des Zahnes 48 befinden sich röntgenologisch in enger räumlicher Beziehung zum Canalis mandibularis (Verlauf des Nervus alveolaris inferior).

Nach Eröffnung des Zahnes und Darstellung des Pulpakammerbodens zeigten sich keine regulären Kanaleingänge sondern eine c-förmige Kanaleingangsstruktur mit multiplen, tief liegenden Kanaleingängen. Bei diesen c-förmigen Kanälen handelt es sich um eine relativ seltene Variation der Kanalanatomie unterer Molaren, deren Inzidenz in der Literatur mit etwa 8% angegeben wird (Cooke u. Cox, 1979).

C-förmige Wurzelkanäle

Das anatomische Hauptmerkmal c-förmiger Wurzelkanäle sind flossen- oder netzförmige Verbindungen zwischen den Hauptkanälen. Oft weist dabei auch die äußere Wurzelform eine hartgewebige Brücke zwischen mesialer und distaler Wurzel auf. Diese anatomische Sonderform wird vornehmlich in zweiten und dritten Unterkiefermolaren gefunden. Melton et al. (1991) klassifizierten c-förmige Kanäle basierend auf deren Querschnittsform und Anzahl der akzessorischen Kanäle in drei Typen. Cheung et al. stellten die komplexe Form c¬förmiger Kanäle morphometrisch anhand von Tomographien dar (Bild 2 und 3). Diverse Studien haben die Existenz lateraler und akzessorischer Kanäle sowie intrakanalärer Kommunikationen nachgewiesen. Dabei zeigten etwa 80% der c-förmigen Kanäle 1-3 apikale Foramina. Die Prävalenz akzessorischer Foramina lag bei 48%.

Zu Bild 2 und 3: Die apikalen 5 mm eines c-förmigen Wurzelkanalsystems wurden hier morphometrisch dargestellt. Links sieht man die äußere Form der Wurzelspitzen. Dabei ist die hartgewebige Verbindung zwischen der mesialen und distalen Wurzel gut zu erkennen. Rechts ist die komplexe apikale Struktur des c-förmigen Kanalsystems transparent dargestellt (Cheung 2007).

Die apikalen 3-5mm eines Wurzelkanalsystems gelten generell als eine kritische Zone, deren möglichst vollständige Präparation und Desinfektion entscheidende Bedeutung für eine günstige Prognose der Wurzelkanalbehandlung.

Das Ziel einer Wurzelkanalbehandlung besteht im Falle eines infizierten Kanalsystems darin, die Kanäle vollständig zu präparieren, zu desinfizieren und anschließend bakteriendicht zu versiegeln, um so den erkrankten Zahn langfristig zu erhalten. Eine häufige Ursache für Misserfolge in der Endodontie ist, dass Kanaleingänge und Kanäle gar nicht erst gefunden werden und somit ein Teil des infizierten Kanalsystems vollkommen unbehandelt bleibt. Da aber eine möglichst vollständige Reinigung aller vorhandenen Kanäle unabdingbare Voraussetzung für einen Behandlungserfolg ist, ist es von entscheidender Bedeutung, tatsächlich alle Kanäle darzustellen.

Ein Problem bei der Aufbereitung und Füllung c-förmiger Wurzelkanalsysteme in Unterkiefermolaren besteht unter anderem darin, dass der c-förmige Kanaleingang zunächst vollständig vom Weichgewebe befreit werden muss, um weitere Verzweigungen in der Tiefe des Kanals überhaupt sichtbar und zugänglich zu machen. Aufgrund der schwer zugänglichen Lage in der Tiefe der Mundhöhle und der damit verbundenen eingeschränkten Zugänglichkeit ist eine hinreichende Ausleuchtung der Zahnkavität durch eine herkömmliche OP-Leuchte in der Regel nur unzureichend möglich. Eine Inspektion des Pulpakammerbodens ist so nur schwerlich, die Suche nach weiteren Kanalabzweigungen in der Tiefe des Kanals gar nicht realisierbar. Bei Verzicht auf eine vergrößerte Darstellung und optimale Ausleuchtung des sehr kleinen Operationsfeldes ist es unwahrscheinlich, alle Kanaleingänge aufzufinden und präparieren zu können.

„The c-shaped root canal system, undoubtedly, is a challenge to even the most experienced clinicians” (Cheung 2007). Ein c-förmiges Kanalsystem stellt selbst für einen erfahrenen Spezialisten eine Herausforderung dar.

Das Dentalmikroskop

Das menschliche Auge nimmt in Alter von 40 Jahren bei einem Arbeitsabstand von 25 cm etwa 70 my wahr. Eine optimale Detailerkennung ist in der Zahnmedizin ohne vergrößernde Sehhilfen in der Regel nicht möglich (Betz 1998). Es gilt heute als gesichertes Lehrbuchwissen (Baumann u. Beer 2007) dass die sehr geringe Größe des Wurzelkanalsystems durch die begrenzte Auflösung des menschlichen Auges nicht in ausreichender Detailschärfe erkannt und differenziert werden kann. Gilt dieses schon für reguläre Behandlungsfälle so gewinnt dieser Umstand seine besondere Bedeutung in anatomischen Sonderfällen. Man kann heute mit Recht sagen, dass erst das Dentalmikroskop den geübten Behandler in die Lage versetzt, auch anatomisch sehr anpruchsvolle Fälle wie den hier beschriebenen mit Aussicht auf Erfolg zu therapieren.
Bild 4 zeigt die komplexe anatomische Struktur des c-förmigen Kanalsystems der Patientin:

Zu Bild 4: Kontrollaufnahme nach erfolgter Wurzelkanalfüllung der Zähne 47 und 48. Während der Zahn 47 ein reguläres Kanalsystem mit gut erkennbaren, separaten Wurzelkanälen in der mesialen und distalen Wurzel zeigt, erscheint die Kanalkonfiguration des Zahnes 48 weitaus komplexer. Gut erkennbar sind auf dem Bild die multiplen feinen Kanäle, die das distale und mesiale Kanalsystem c –förmig verbinden. An den Wurzelspitzen von 48 ist röntgenologisch eine Aufhellung als Hinweis für eine noch vorliegende apikale Parodontitis erkennbar.

Die Einführung des Dentalmikroskops vor etwa zehn Jahren ermöglichte durch die auf die speziellen Anforderungen des Zahnarztes zugeschnittene Kombination von Licht und Vergrößerung völlig neue Möglichkeiten in der zahnmedizinischen Diagnostik und Therapie. In der Endodontie zählt es heute zu den bedeutenden technischen Hilfsmitteln. Zu welchen Leistungen ein Zahnarzt dank der Verwendung eines Dentalmikroskops in der Lage sein kann, verdeutlicht der vorliegende fall in exemplarischer Form.

Das vorgelegte Röntgenbild (Bild 2) zeigt deutlich ein überaus komplexes Kanalsystem des Zahnes 48 das in exzellenter Qualität präpariert und gefüllt wurde. Selbst die feinen Kanälchen innerhalb des c-förmigen Isthmus zwischen der mesialen und distalen Wurzel sind dicht bis in die apikale Konstriktion hinein gefüllt (apikale Konstriktion=die physiologisch engste Stelle eines Wurzelkanals im Bereich der Wurzelspitze. Apikaler Endpunkt der Präparation und Kanalfüllung). Um es an dieser Stelle nochmals deutlich zu sagen: Die vorgelegten Röntgenbilder dokumentieren eine Wurzelkanalfüllung von beispielhafter Qualität.

Im Schreiben der Klägerin vom 21.02.2008 (Akte Seite 47) heißt es:

„Die Verwendung eines Dentalmikroskops war nicht zahnmedizinisch notwendig. Es ist eine objektive Beurteilung aufgrund der vorliegenden Befunde und der objektiven medizinischen Erkenntnisse gefordert. Auf die subjektive Sicht des behandelnden Arztes kommt es nicht an. Dass der Behandler die Maßnahme subjektiv für notwendig hielt, versteht sich in der Regel von selbst. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass auch objektiv die Behandlung medizinisch notwendig war.” Und schlussfolgernd: „Die Revisionsbehandlung der Versicherungsnehmerin war auch ohne Einsatz eines Dentalmikroskops durchführbar.”

Dieser nicht näher begründeten Einschätzung der Klägerin muss mit allem Nachdruck widersprochen werden.

Es ist wissenschaftlich seit langem hinlänglich erwiesen, dass der Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung ganz maßgeblich davon abhängig ist, ob es gelingt, alle vorliegenden Wurzelkanäle darzustellen und zu präparieren oder nicht. Als Referenz sei hier stellvertretend für zahllose Publikationen auf aktuelle Stellungnahmen der DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde), der DGZ (Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung) sowie der ESE (European Society of Endodontology) verwiesen.

In einfacheren Fällen mag es möglich sein, auch ohne die Anwendung eines Dentalmikroskops ein infiziertes Kanalsystem in ausreichender Qualität zu therapieren. Im vorliegenden Fall wäre es aufgrund der schon oben beschriebenen komplexen individuellen Anatomie ohne Mikroskop nicht möglich, eine auch nur annähernd adäquate Wurzelkanalbehandlung vorzunehmen.

In einer eigenen international publizierten Studie (Schwarze et al 2002) zeigte sich eine objektive Notwendigkeit zur Anwendung eines Dentalmikroskops, um vorhandene Kanäle in Oberkiefermolaren darzustellen. Aus einer Stichprobe von 100 Oberkiefermolaren mit regulärer Kanalanatomie konnte im Laborversuch von 63 vorhandenen mesio-zentralen Wurzelkanälen mit Verwendung einer Lupenbrille lediglich 26 (41%) dargestellt werden. Bei der Verwendung eines Dentalmikroskops wurden 59 (94%) Kanäle identifiziert. Man sieht an diesem Beispiel, das schon in Zähnen mit regulären Wurzelkanalstrukturen ein großer Teil der tatsächlich vorhandenen Kanäle bei der Inspektion mit bloßem Auge nicht erkannt werden kann. Bei einer so komplexen Wurzelkanalkonfiguration wie im vorliegenden Fall würde ein Verzicht auf die Verwendung eines Dentalmikroskops bedeuten, von vorne herein eine deutlich eingeschränkte Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung in Kauf zu nehmen.

Bild 5 zeigt die Kontrolle des wurzelkanalbehandelten Zahnes nach 16 Monaten: Die apikale Parodontitis an 48 ist vollständig abgeheilt. Es finden sich röntgenologisch keine Hinweise mehr auf eine krankhafte Veränderung im Knochen. Beide Zähne wurden mittlerweile vom Hauszahnarzt überkront.

Zu Bild 5: Die vorgelegte Kontrollaufnahme 16 Monate nach der Wurzelkanalbehandlung zeigt einen guten Behandlungserfolg. Die Entzündung im Knochen erscheint ausgeheilt.

Die Verwendung eines Dentalmikroskops war im vorliegenden Fall uneingeschränkt indiziert. Der Therapieerfolg ist hier ohne Zweifel auf die exzellente Qualität der durchgeführten Behandlung zurückzuführen. Ohne die Verwendung eines Mikroskops ist eine qualitativ so hochwertige Therapie wie hier dokumentiert heute nicht durchführbar.

Analogberechnung für die Verwendung eines Mikroskops

In der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vom 22.Oktober 1987 heißt es unter § 6 Absatz 2:

„Selbständige zahnärztliche Leistungen, die erst nach Inkrafttreten dieser Gebührenordnung auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt werden, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen berechnet werden.”

Die Klägerin führt an, dass es sich bei dem Einsatz des Dentalmikroskops nicht um eine selbständige ärztliche Leistung handele, da es nur dazu diene, Wurzelkanaleingänge vergrößert darzustellen. Die Verwendung des Dentalmikroskops stelle nur eine unselbständige Teilleistung im Rahmen der Wurzelkanalbehandlung dar.

Tatsächlich ist die Anwendung eines Dentalmikroskops innerhalb der derzeit gültigen GOZ nicht geregelt. Zwar existiert in der Gebührenordnung für Ärzte (GOA) als nichtgebietsbezogene Sonderleistung die Position A 440 (Zuschlag für die Anwendung eines Operationsmikroskops bei ambulanten operativen Leistungen), jedoch ist die Berechnungsfähigkeit nur in Verbindung mit bestimmten chirurgischen Leistungen gegeben, die im Falle von Wurzelkanalbehandlung regelmäßig nicht erbracht werden. Allerdings macht schon die reine Existenz der Position 440 deutlich, dass der Gesetzgeber für den erheblichen Mehraufwand an Behandlungszeit bei der Anwendung eines Operationsmikroskops einen Zuschlag für angemessen hielt.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der derzeit gültigen GOZ, vor immerhin mehr als 20 Jahren, war der Einsatz eines Operationsmikroskops in der zahnärztlichen Praxis völlig unbekannt und blieb einigen chirurgischen Kliniken vorbehalten. Dadurch erklärt sich die ausschließliche Verbundenheit des Zuschlags der Nummer GOÄ 440 mit bestimmten Operationsleistungen aus dem Bereich der Gesichts-, Mund- und Kieferchirurgie, nicht jedoch aus der Zahnheilkunde.

Da in den vergangenen Jahren eine zunehmende Verbreitung des Dentalmikroskops, einer auf die besonderen zahnmedizinischen Anforderungen zugeschnittenen Form des Operationsmikroskops, innerhalb spezialisierter Zahnarztpraxen zu beobachten ist, besteht hier dringender Regelungsbedarf. Tatsächlich sind heute hochpräzise mikrochirurgische Operationen und bestimmte endodontische Eingriffe ohne die Anwendung eines Dentalmikroskops nicht in ausreichender Präzision durchführbar. Die oben geschilderte Wurzelkanalbehandlung bei der Patientin konnte in der gezeigten hohen Qualität nur unter Verwendung eines Mikroskops so durchgeführt werden.

In der für 2009 erwarteten Novellierung der GOZ findet sich in einem vorab veröffentlichten Entwurf (Gerichtakte S. 36 — 40) die Gebührenziffer 005c (Zuschlag für die Anwendung eines Operationsmikroskops) nun auch in Verbindung mit Leistungen aus dem Bereich der Wurzelkanalbehandlung. Hier wurde offenbar ein Regelungsbedarf erkannt und dem hohen diagnostischem und therapeutischem Wert des Mikroskops Rechnung getragen.

Die im vorliegenden Fall berechneten erhöhten Steigerungssätze für die Positionen 240, 241, 242, 244 GOZ finden ihre Begründung in der besonderen Schwierigkeit und dem hohen Zeitaufwand unter denen konkret diese Leistungen erbracht wurden (Gerichtsakte S. 14 — 16). Die erhöhten Steigerungssätze werden nicht mit der Verwendung eines Dentalmikroskops begründet und beziehen sich auch nicht auf die Verwendung des Dentalmikroskops. Die Verwendung der Analogposition.GOZ 502 wird vom Beklagten mit einem Zeitaufwand von 20 Minuten begründet, der für die Inspektion des Pulpakammerbodens zur Darstellung sämtlicher Kanaleingänge aufgewendet wurde. Dieser Zeitrahmen erscheint aus fachlicher Sicht im vorliegenden Fall als nachvollziehbar. Die schwierigen anatomischen Verhältnisse erforderten zunächst eine intensive Inspektion der Zugangskavität und des Pulpakammerbodens sowie des c-förmigen Kanaleingangs, bevor die eigentlichen Leistungen der oben genannten Gebührenziffern erbracht werden konnten. Insofern muss im vorliegenden Fall die Inspektion des Pulpakammerbodens als eine selbständige ärztliche Leistung angesehen werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit geht in weitgehender Übereinstimmung mit der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung gegenwärtig von einem betriebswirtschaftlich notwendigem durchschnittlichen Stundenumsatz von etwa 200 Euro für eine durchschnittliche Zahnarztpraxis aus. 20 Minuten Behandlungszeit wären demzufolge mit etwa 66 Euro angemessen honoriert. Die Position GOZ 502 mit dem einfachen Steigerungssatz entspricht dieser Summe und wurde daher berechtigterweise analog zum Ansatz gebracht.

Die Verwendung des Dentalmikroskops stellt im vorliegenden Fall eine selbständige ärztliche Leistung dar; die mit der Ziffer 502 GOZ analog angemessen honoriert ist.

Analogberechnung für die dentinadhäsive Versiegelung des Pulpakammerbodens und die adhäsive Aufbaufüllung

Für die langfristige Sicherung des endodontischen Behandlungserfolges ist neben einer dreidimensionalen Obturation des Kanalsystems die adhäsive Versiegelung des Pulpakammerbodens und der Kanaleingänge von entscheidender Bedeutung (Bitter et al.2004). Zur Versiegelung der Kanaleingänge und des Pulpkammerbodens ist es zunächst notwendig, den gesamten Kavitätenbereich restlos von Rückständen des Wurzelfüllmaterials zu reinigen und die Kanaleingänge in den ersten 1-2mm freizulegen. Danach erfolgt eine Konditionierung des gesäuberten Dentins mit Phosphorsäuregel und anschließend das mehrmalige Auftragen und Polymerisieren eines Haftvermittlers. Anschließend wird der gesamte Pulpakammerboden mit einem dünn fließenden Kompositmaterial versiegelt und polymerisiert. Die Füllung der Zugangskavität und der Ersatz der fehlenden Zahnhartsubstanz erfolgt schichtweise in Inkrementen von maximal 2mm Stärke. Nach dem schichtweisen Polymerisieren und der abschließenden Politur ist der Zahn vorbereitet zur weiteren prothetischen Versorgung zum Beispiel mit einer Krone.

Wie aus der Beschreibung entnommen werden kann, handelt es sich bei der Anfertigung eines adhäsiven Aufbaus und der Versiegelung des Pulpakammerbodens um eine aufwändige Behandlungmaßnahme. Auch hierbei handelt es sich um eine neuartige Therapieform, die bei dem Erscheinen der zur Zeit gültigen GOZ noch nicht bekannt war. Der Material- und Zeitaufwand steht dabei in keinem Verhältnis zu einer Honorierung nach GOZ 218. Die GOZ 218 beschreibt einen zur damaligen Zeit üblichen einfachen Zementaufbau, der im Zusammenhang mit einer Wurzelkanalfüllung heute als obsolet angesehen werden muss. Berechnet mit dem 3,5-fachen Steigerungsfaktor gemindert um den Ost-Abschlag ergäbe sich für diese Position ein Honorar von 26,60 €.

In Übereinstimmung mit der Landeszahnärztekammer Sachsen (Gerichtsakte S. 41) kann die Analogberechnung der Position 222 im Grunde nicht beanstandet werden. Allerdings wurde im vorliegenden Fall kein adhäsiver Stiftaufbau angefertigt, wie von der Zahnärztekammer in ihrer Stellungnahme offenbar irrtümlich angenommen wurde, sondern eine reine adhäsive Aufbaufüllung. Ausgehend von dem für diesen Therapieschritt anzusetzenden Material- und Zeitaufwand erscheint das angesetzte Honorar von 180,45 € sicher an der Obergrenze des Vertretbaren, zumal gleichzeitig noch die GOZ 207 (zweiflächige Füllung) berechnet wurde.

Die Honorierung einer adhäsiven Restauration nach GOZ 218 ist im vorliegenden Fall unzureichend, gemessen an dem dafür erforderlichen Material- und Zeitaufwand. Bei der dentinadhäsiven Restauration handelt es sich um eine neue Leistung, welche gemäß §6 Abs. 2 GOZ analog berechnet werden kann. Die Entscheidung, welche Gebührenposition als angemessen anzusehen ist, obliegt dabei dem Zahnarzt. Die gleichzeitige Berechnung der Position GOZ 207 ist im vorliegenden Fall zu beanstanden.

Literatur

Baumann M, Beer R: Farbatlanten der Zahnmedizin – Endodontologie. 2. Auflage 2007; Thieme: Stuttgart.

Betz W: Unterstützende Sehhilfen in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Wissenschaftliche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Dtsch Zahnärztl Z 1998; 53

Bitter K, Kielbassa A: Dentinadhäsive in der Endodontie – Ein Überblick. Endodontie 2004; 13: 57-74

Cheung G, Yang Y, Fan B: Morphometric study of the apical anatomy of c-shaped root canal systems in mandibular second molars. Int Endod J 2007; 40: 239-46

Cooke HG, Cox FL: C-shaped canal configuration in mandibular molars. J Am Dent Assoc 1979; 99:836-839

Heidemann D et al: Maschinelle Wurzelkanalaufbereitung. Gemeinsame Stellungnahme der DGZMK und der DGZ. Endodontie 2006; 15: 51-56

Hülsmann M et al: Good Clinical Practice: Die Wurzelkanalbehandlung. Stellungnahme des Beirats Endodontologie der DGZ. Endodontie 2006; 15: 195-199
European Society of Endodontology: Quality guidelines for endodontic treatment: Consensus report of the European Society of Endodontology. Int Endod J 2006; 39: 921-930.

Melton D, Krell K, Fuller M: Anatomical and histological features of c-shaped canals in mandibular second molars. J Endod 1991; 77: 384-388

Schwarze T et al: Identification of second canals in the mesiobuccal root of maxillary first and second molars using magnifying loupes or an operating microscope. Austr Endod J 2002; 28: 57-60

Simon J: The apex: How critical is it? Gen Dent 1994; 42: 330-334

Stellungnahme der DG-Endo zum Referentenentwurf GOZ und zum DM

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Endodontie e.V. (DG-Endo) zum Referentenentwurf zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) für den Bereich der Endodontie

Hier: Auszug aus der Stellungnahme zum Dentalmikroskop

2. Bisherige Regelung:

Zuschlag für die Anwendung eines Operationsmikroskopes in Verbindung mit den Leistungenn ach den Nummern 250, 252,330, 331, 332, 429, 430, 810 und 815. Der Zuschlag nach Nummer 13 ist je Behandlungstag nur einmal und nur mit dem einfachen Gebührensatz berechnungsfähig.

Änderung A:

Der Text wird ersetzt mit folgender Fassung:

„Zuschlag für den gerätetechnischen Aufwand bei der Anwendung eines Dentalmikroskops in Verbindung mit den Leistungen 5, 6, 240, 241, 242, 243, 246, 250, 251, 252, 255, 330, 331, 332, 340, 341, 342, 343, 344, 345, 346, 347, 361, 533, 534.

Der Zuschlag nach Nummer 13 ist je Sitzung nur einmal und nur mit dem einfachen Gebührensatz berechnungsfähig. Bei Verwendung von Geräten mit XENON-Lichtsystemen ist in Verbindung mit Leistungen nach den Positionen 246, 250 und 255 der doppelte Zuschlag berechnungsfähig.“

Hinweis: 1) Eine Verwendung des Mikroskops kann auch über den Bereich der Endodontie hinaus bei vielen Therapien vorteilhaft sein. Hier sollte der Rat anderer Fachgesellschaften eingeholt werden!

2) Es kann nicht nachvollzogen werden auf welcher Grundlage die Bewertung dieser Position basiert. Hier sollte eine Kalkulation erfolgen, die den Einsatz des Gerätes betriebswirtschaftlich auch ermöglicht. Dies ist derzeit nicht der Fall.
Begründung:

Die Verwendung des Dentalmikroskops ist grundsätzlich zu fördern, da es vielfach eine wesentliche Grundlage für eine Diagnostik und Therapie in höchstmöglicher Qualität darstellt. Die hierdurch verfügbare optische Vergrößerung und der Einsatz moderner Lichtsysteme ermöglichen vielfach eine extreme Steigerung der Präzision und stark erweiterte diagnostische Möglichkeiten.

Im Text der Gebührenordnung muss deutlich werden, dass dieser Zuschlag lediglich den gerätetechnischen Mehraufwand vergütet. Bei Ausführung unter mikroskopischer Sicht steigt der zeitliche Aufwand bei den einzelnen Leistungen, die erbracht werden, enorm und kann mit dieser Pauschale nicht abgegolten sein. Es ist die Pflicht des Verordnungsgebers, dies klar zu formulieren, um spätere Erstattungsauseinandersetzungen zu vermeiden.

An Stelle der Formulierung “einmal pro Behandlungstag” sollte die Formulierung “einmal pro Sitzung” verwendet werden, da erstere missverständlich ist und patientenübergreifend interpretiert werden kann. Eine täglich insgesamt nur einmalige Berechnung des Zuschlags in Höhe von € 22,60 würde den Anschaffungskosten eines Dentalmikroskops von bis zu € 85.000,– jedoch nicht gerecht. Hier wären die Interessen des Zahnarztes in keinem Fall ausreichend berücksichtigt worden.

Die doppelt hohe Bewertung für den Einsatz während einer Wurzelkanalbehandlung resultiert aus den besonderen Erfordernissen und dem höheren Verschleiß. Für die Wurzelkanalbehandlung und insbesondere für die Revisionsbehandlungen ist eine optimale Sicht bis in das mittlere und apikale Drittel des Wurzelkanalsystems notwendig, um die erforderlichen Korrekturen kontrolliert durchführen zu können. Die gewöhnliche Halogenbeleuchtung genügt für diese Arbeiten nicht, da nicht genügend Licht in die Tiefe dringt. Xenon-Beleuchtungssysteme ermöglichen eine solche Arbeit, jedoch sind die Kosten in der Anschaffung und im Betrieb deutlich höher. Nach etwa 500 Betriebsstunden sind Xenonleuchtmittel verschlissen, die Lichtleistung lässt extrem nach und es muss nach Herstellerangaben der Austausch des Leuchtmittels erfolgen, Kosten allein dafür etwa € 800 oder mehr. Bei einer im Durchschnitt 4 Stunden andauernden Wurzelkanalbehandlung entstehen dabei erhebliche Mehrkosten im Gegensatz zum normalen Einsatz des Mikroskops mit Halogenbeleuchtung, die einen erhöhten Zuschlag rechtfertigen und notwendig machen.

Änderung B:

Der Begriff Operationsmikroskop wird geändert in „Dentalmikroskop“.

Begründung:

Der Begriff Operationsmikroskop ist beim Einsatz in der Zahnheilkunde nicht zutreffend. Das Mikroskop wird in der Zahnheilkunde im Gegensatz zur Beschreibung in der GOÄ nicht allein im chirurgischen Bereich im Rahmen einer “Operation” eingesetzt. International wird daher nach aktueller Literatur der Begriff „Dentalmikroskop“ empfohlen.

 

 

Rechtstipp Juni 2009 – Full Mouth Disinfection (FMD)

Full Mouth Disinfection (FMD)

Die “Full Mouth Disinfection” (FMD), eine Parodontal-Therapie als alleinige Behandlung und Vorbehandlung/Ergänzung chirurgischer Maßnahmen weltweit anerkannt. Medizinisch notwendig und analog zu berechnen, da als Komplex und in einigen Einzelschritten neu – allerdings beides oft bestritten.

Die “Full Mouth Disinfection” (FMD), eine Parodontal-Therapie als alleinige Behandlung und Vorbehandlung/Ergänzung chirurgischer Maßnahmen weltweit anerkannt. Medizinisch notwendig und analog zu berechnen, da als Komplex und in einigen Einzelschritten neu – allerdings beides oft bestritten.

Der Wunsch, im Rahmen einer durch Keime bedingten Parodontopathie deren möglichst weit gehende Eliminierung zu erreichen, führte zur Entwicklung der Full Mouth Disinfection (FMD). Hier wird durch eine genau ausgeklügelte Kombination von lokaler und systemischer Medikamentengabe, mechanischen Reinigungsmaßnahmen aller Mundbereiche mit speziellen Curetten, Anwendung von Schall- und Ultraschallsystem sowie ggf. auch Laser-Anwendungen alle auch nicht mechanisch erreichbaren Bereiche im Bereich der Zähne sowie Tonsillen und Zunge weitestgehend von pathologischen Erregern befreit; so kann ein Wiederaufflammen einer Parodontopathie verhindert werden. Voraussetzung ist die intensive häusliche Mitarbeit des Patienten; dieser muss im Rahmen der FMD motiviert und genauestens informiert werden. Die Wirksamkeit des Verfahrens wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. So konnte von M. Quirynen u.a. (J Clin Periodontol. 2006) nachgewiesen werden, dass die Taschentiefe – abhängig vom Ausgangsbefund – innerhalb von wenigen Monaten um 3-5 mm zurückging. Ähnliche Untersuchungen wurden u.a. von den Professoren Renggli (Nijmegen) und Saxer (Zürich) publiziert. Zahlreiche wissenschaftliche Gesellschaften propagieren die FMD. Auch die Fachkommission der Zahnärztekammer Nordrhein, bestehend aus Hochschullehrern und wissenschaftlich arbeitenden Zahnärzten, befürwortet das Verfahren ausdrücklich Diese Behandlung war vor 1988 nicht bekannt und wurde erst später unter wissenschaftlicher Begleitung zur Praxisreife entwickelt. Sie kann somit entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses der GOZ berechnet werden. Zurückliegende Erfahrungen zeigen, dass die Erstattungsstellen die medizinische Notwendigkeit entweder lapidar verneinen und/oder trotz positiver Rechtsprechung eine Analogberechnung nach §6.2 GOZ nicht akzeptieren. Zwar sind die bei der FMD benutzten Spüllösungen und deren Anwendung bereits vor 1988 bekannt gewesen; die komplexe Kombination mechanischer, physikalischer und medikamentöser Anwendungen wurde jedoch erst nach 1988 unter wissenschaftlicher Begleitung zur Praxisreife entwickelt. Daher ist die „Full Mouth Disinfection“ eine neue Leistung, die vor Einführung der GOZ nicht bekannt war und folglich analog gemäß § 6 Abs. 2 der GOZ zu berechnen ist. So wurde auch die Analogberechnung der PZR als „neue komplexe Leistung“ von zahlreichen Gerichten bestätigt; siehe Juradent-Thema Nr. 183. Der GOZ-Ausschuss der Bayerischen Landeszahnärztekammer – stellvertretend für weitere Zahnärztekammern – sowie die anerkannten Kommentare schließen sich dieser Ansicht an. Wenn auch einzelne Leistungen aus dem „Gesamtpaket FMD“ separat berechenbar sind, ist muss die pauschale analoge Berechnung aufgrund der wissenschaftlichen Untersuchungen, Rechtslage und Stellungnahmen von Kostenerstattern akzeptiert werden. Erst recht ist eine Ablehnung „medizinisch nicht erforderlich“ schärfstens zurückzuweisen. Der nachfolgende Textbaustein muss je nach Art der Nicht-Anerkennung individualisiert werden.

Textbaustein 

Nicht-Anerkennung der„Full Mouth Disinfection“ FMD

***** Nichtzutreffendes streichen bzw. beide Bereiche verwenden

Im Rahmen der parodontalen Behandlung wurde eine sogenannte „Full Mouth Disinfection“ durchgeführt. Hier werden durch Kombination mechanischer und physikalischer Maßnahmen, durch gezielten Einsatz von Medikamenten, durch Anwendung von Schall- und Ultraschallsystem und intensiver Einbeziehung der häuslichen Mitarbeit des Patienten auch entlegene Mundbereiche von pathogenen Keimen weitgehend befreit, um ein Wiederaufflammen einer Zahnfleischerkrankung möglichst zu verhindern. Die Komplexität der Behandlungsinhalte wurde erst nach Einführung der zahnärztlichen Gebührenordnung GOZ entwickelt und kann daher nach §6.2 GOZ „analog“ berechnet werden. Vorliegend wurde vom Kostenerstatter

***** die medizinische Notwendigkeit bestritten

***** die analoge Berechnungsmöglichkeit bestritten

****** Dieser pauschalen wie unsinnigen Behauptungen muss nachdrücklich widersprochen werden.

Das Verfahren ist weltweit in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen als sehr effektiv bezeichnet worden, in allen Veröffentlichungen wurde von einer erheblichen Reduktion der Taschentiefe um mehrere Millimeter sowie des Entzündungsgrades berichtet. Das Verfahren eignet sich damit sowohl als alleinige Behandlung bei rein entzündlichen Vorgängen wie auch als Vorbehandlung im Rahmen chirurgischer Maßnahmen. Der Kostenerstatter wird hiermit aufgefordert, einen Beweis und den Autor für diese fachlich unhaltbare Behauptung zu nennen; die bloße Behauptung ist nicht akzeptabel. ***** Neu entwickelte Leistungen, welche erst nach Einführung der GOZ 1988 unter wissenschaftlicher Begleitung Praxisreife erreicht haben, können gemäß §6.2 „analog“ berechnet werden. Die „Full Mouth Disinfection“ ist eine solche „neue Leistung“, die vor Einführung der GOZ nicht bekannt war. Stellvertretend für die zahnärztlichen Körperschaften stellt die bayerische Landeszahnärztekammer ausdrücklich die analoge Berechnungsmöglichkeit fest; die anerkannten zahnärztlichen Kommentare schließen sich dieser Ansicht an. Die vorliegende Berechnung der „Full-Mouth-Disinfection“ ist daher in fachlicher wie auch gebührenrechtlicher Hinsicht völlig korrekt.

 

 

Rechtstipp Mai 2009 – Berechnung endodontischer Einmal-Instrumente

Berechnung endodontischer Einmal-Instrumente weiterhin möglich – oder nicht ?

Neue positive Urteile ergangen.

Endodontische Instrumente, nur einmal verwendet, sind sehr teuer. Kann man sie trotz oder gerade wegen des BGH-Urteils bezüglich der Implantatfräsen berechnen ? Dazu neue Urteile.

Das Urteil des BGH zur Berechnung der Implantatfräsen ist auf dem Tisch – bei Juradent bereits veröffentlicht. Das Gericht argumentierte, dass das Material für eine Behandlung fast so teuer wie die Behandlung selbst ist – von daher gesehen wurde eine Regelungslücke in der GOZ erkannt. Die Frage ist nur: Gilt das Urteil ausschließlich für Implantatfräsen oder für sämtliche Materialien, welche das Kriterium „teurer als 75% des 2,3 fachen Steigerungssatzes“ erfüllen ? Die Juristen und die Zahnärztekammern sagen „gilt für sämtliche Materialien“, die Versicherungen sagten bisher „Nein“. Dazu gibt allerdings neu bestätigende Urteile. Die Berechnung des BGH hängt nicht an dem speziell verwendeten Instrument. Ausschlaggebend ist nicht das Instrument im Einzelfall, sondern die vom BGH durchgeführte Berechnung, welche selbstverständlich allgemein gültig und auf vergleichbare Fälle übertragbar ist. Daher sollten nur einmal verwendete endodontische Instrumente zuzüglich des außerdem verbrauchten Materials (Papierspitzen, Guttapercha, Sealer, Cofferdam, Handfeilen etc.) berechnet werden, wenn die 75%-Grenze überschritten wird. Dies wurde vom Landgericht Hagen in einem Vergleich ausdrücklich bestätigt (30.10 2007, 9 O 102/06). Der Sachverständige hatte die Feilen als Einmalinstrumente qualifiziert, das Gericht schloss sich der Argumentation des BGH an. Weitere bestätigendes Entscheidungen: Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (30.11. 2007,714 C 331/05) AG Hagen (15.2. 2006,140 C 457/04) und AG Bielefeld (22.6 2006, 5 C 898/04). Ungeachtet dessen ist die Vorab-Information an den Patienten über eine eventuelle Nicht-Erstattung durch die PKV und Beihilfe empfehlenswert. Der aufgeklärte GKV-Patient wird eher selten protestieren, da er ohnehin nichts erstattet bekommt; der PKV-Patient erwartet eine Erstattung, erst recht der Beihilfe-Patient. Sinnvoll ist vor allem die Honorarvereinbarung nach Paragraph 2 Abs. 2 GOZ, bei der das Material in das frei zu ermittelnde Honorar eingerechnet wird. Man kann den Patienten natürlich auch fragen: „Möchten Sie neue oder gebrauchte Feilen? Die gebrauchten sind umsonst, brechen aber schneller. Die neuen Feilen sind besser, müssen allerdings bezahlt werden“. Der nachfolgende Textbaustein kann als Grundlage für ein Schreiben an den Patienten oder auch an die Versicherungen verwendet werden.

Textbaustein Letzten Absatz ggf. weglassen

Berechnung endodontischer Instrumente

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (27. 5. 2004, III ZR 264/03) können nur noch Materialien berechnet werden, welche entweder in der Gebührenordnung ausdrücklich aufgeführt sind oder welche teurer sind als 75% bis 2,3 fachen Steigerungssatzes der GOZ. Beispielhaft hierfür wurden Einmalfräsen für die Implantologie im Urteil genannt. Im vorliegenden Behandlungsfall wurden sehr teure rotierende Nickel-Titan-Feilen als Einmalinstrumente verwendet, dazu kamen Kosten für diverse Materialien (Papierspitzen, Guttapercha, Sealer, Cofferdam, Handfeilen etc). Die zugehörigen Materialkosten sind in der Liquidation ausgewiesen. Die Kosten hierfür liegen oberhalb des vom Bundesgerichtshof genannten Satzes und sind deshalb berechungsfähig. Diese Regelung gilt auch für den Fall, dass eine Honorarvereinbarung abgeschlossen wurde. Die Ansicht von Kostenerstattern, dass nach dem BGH-Urteil nur teure Implantatfräsen zu erstatten seinen, wurde inzwischen von mehreren Gerichten zurückgewiesen. So wurde vom Landgericht Hagen in einem Vergleich die Kostenübernahme ausdrücklich bestätigt (30.10 2007, 9 O 102/06). Der Sachverständige hatte die Feilen als Einmalinstrumente qualifiziert, das Gericht schloss sich der Argumentation des BGH an. Weitere bejahende Entscheidungen: Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (30.11. 2007, 714 C 331/05) AG Hagen (15.2. 2006,140 C 457/04) und AG Bielefeld (22.6 2006, 5 C 898/04). Damit sind vorliegend diese Materialien korrekt berechnet worden.

****** Nachfolgendes bei Bedarf weglassen

Hinzuweisen ist überdies darauf, dass nur neue Feilen eine ausreichende Sicherheit vor einer Fraktur bieten. Und dass nach internationalen Studien auch sehr umfangreiche Reinigung- und Sterilisationsmaßnahmen bei endodontischen Feilen nicht mit letzter Sicherheit eine völlige Freiheit von Keimen und Gewebsresten bieten. Auch dies ist ein Grund, warum wir nur neue Instrumente verwenden.

 

 

Rechtstipp April 2009: Patienteninformation zu Dentinadhäsiven Restaurationen (DAR)

Patienteninformation zu Dentinadhäsiven Restaurationen (DAR):

Faktorgestaltung bei der Analogberechnung und Erstattung durch Beihilfestellen Dentinadhäsive Restaurationen sind zahnerhaltende Maßnahmen mit Kunststoffen (Composite), die in einem speziellen Verfahren an der Zahnhartsubstanz befestigt werden. Es handelt sich nicht um „Füllungen“ nach den GOZ-Nrn. 205, 207, 209, 211 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ).

Eine eigene Gebührenposition für dentinadhäsive Rekonstruktionen (DAR) existiert nicht. Es handelt sich vielmehr um „selbständige zahnärztliche Leistungen, die erst nach Inkrafttreten dieser Gebührenordnung auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt“ wurden. Sie werden deshalb nach § 6 Abs. 2 GOZ entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen berechnet. Häufig werden die GOZ-Positionen 214 bis 217 als Analogpositionen verwendet. Die Analogberechnung dentinadhäsiver Rekonstruktionen als solche wird inzwischen unisono bei Beihilfestellen und Versicherungen akzeptiert und ist von vielen Gerichten bestätigt worden, z. B.: – OLG München, 07.12.2004 (AZ 25 U 5029/02) – VG Darmstadt, 27.10.2006 (AZ 5 E 787/05) – VG Hannover 19.12.2006 (AZ13 A 6420/06) – AG Dillingen/Donau 04.05.2006 (AZ 2 C 0497/05) Die bayerischen Beihilfestellen erstatten allerdings lediglich den 1,5-fachen Steigerungssatz der GOZAnalog- Positionen 215-217 mit dem Hinweis, dass dies nach behördlicher Ansicht für den Behandlungsaufwand ausreichend sei. Diese Vorgehensweise lehnt das OVG NRW (08.03.2006, AZ 6 A 2970/04) rundweg ab: “Die Umstände des Einzelfalles nach § 5.2 GOZ lassen sich nicht durch ministeriellen Runderlass außer Kraft setzen.” Der Zahnarzt kann also gemäß § 5.2 GOZ sein Honorar nach billigem Ermessen ermitteln, ungeachtet einer beihilferechtlichen Einschränkung. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem jüngsten Urteil am 27.06.2007 (4 S 2090/05) die im Urteil die Erstattungsbegrenzung auf 1,5-fach gekippt und verpflichtete die Beihilfestelle zur Erstattung des Steigerungsfaktors 2,3. Auch bayerische Verwaltungsgerichte urteilen aktuell in diesem Sinne: – VG Würzburg, 04.03.2008 (Az: W 1K 07.1363) – VG Ansbach, 13.02.2008 (Az: AN 15 K 07.00972) Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass bei der Heranziehung der GOZ-Ziffern 215-217 als Analogposition von einer mittleren Schwierigkeit beim Faktor 2,3 ausgegangen wird. Sofern kein anderer Faktor als 2,3 gewählt wird ist nicht erkennbar, dass es sich um eine schwierigere oder einfachere oder zeitlich kürzere oder längere Behandlung handelte. Wir hoffen, dieses Schreiben hilft Ihnen bei der Erlangung Ihrer Erstattungsansprüche. Sofern Ihre Beihilfestelle die oben dargestellte Rechtsauffassung nicht teilt, können Sie Ihr Recht leider nur auf dem Klageweg durchsetzen. Dies bedauern wir sehr, aber leider können wir unsere Rechnungsstellung nicht von der Auffassung einzelner Kostenerstatter beeinflussen lassen.

Dies ist eine Information der „Freien Zahnärzteschaft e.V.“ V.i.S.d.P.: ZA Peter Eichinger, Passau www.freie-zahnaerzteschaft.de

 

 

Rechtstipp März 2009 Analoge Berechenbarkeit von präprothetischen Aufbauten

Analoge Berechenbarkeit von präprothetischen Aufbauten

Amtsgericht Frankfurt, Urteil vom 11.07.2007, Az. 29 C 2147/03-21

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin behauptet, sämtliche abgerechneten Positionen seien einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung zuzurechnen. Insbesondere sei die von dem Zahnarzt (unstreitig) durchgeführte und unter Ziffer a214 GOZ abgerechnete Tätigkeit, das Präparieren einer Kavität und Füllen mit Metallfolie im Wege einer dentinadhäsiven Aufbauschichtung mit keramischer Masse, nicht mit den von GOZ 218 erfassten Tätigkeiten vergleichbar, sondern, da die Technik erst nach 1988 entwickelt wurde, nach § 6 Abs. 2 GOZ allein über eine analoge Anwendung der Ziffer 214 abzurechnen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die analog angesetzte Ziffer 214 nur für eine abschließende Versorgung in Ansatz gebracht werden könne. Da die Füllung lediglich als Langzeitprovisorium, also als Vorbereitung für eine Krone, gedient hatte, sei lediglich Ziffer 218 GOZ anzusetzen.

Die Beklagte war nach § 1 MB/KK 1994 zur Erstattung der für die Versorgung mit Füllungen im Wege einer dentinadhäsiven Aufbauschichtung mit keramischer Masse nach Ziffer a214 berechneten Zahnarztkosten verpflichtet. Nach der aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme gewonnenen Überzeugung des Gerichts waren die diesbezüglichen Behandlungsmaßnahmen medizinisch notwendig.

Dabei geht das Gericht von dem inzwischen allgemein anerkannten Begriff der medizinischen Notwendigkeit aus, nach dem eine Behandlungsmaßnahme notwendig ist, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Zeit der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen (vgl. BGH 1979, 1250; OLG Köln, NVersZ 1999, 127 ff.; Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl. 2002, MBKK 1994 § 1 Rn. 42 m.w.N.).

Der Sachverständige hat in seinem zweiten Ergänzungsgutachten vom 12.04.2007 (Bl. 377 ff. d.A.) nachvollziehbar aufgeführt, dass es im vorliegenden Falle für den Erfolg der therapeutischen Maßnahme, nämlich die Einstellung einer neuen Bisslage durch (langzeit-) provisorische Versorgung und die anschließende Beobachtung der Veränderung, entscheidend auf die Bissstabilität der Füllungen über den Beobachtungszeitraum hinweg ankommt, und dass herkömmliche Aufbaufüllungen aus Zahnzement schnellem Verschleiß unterliegen, wohingegen die dentinadhäsiven Aufbaufüllungen nicht nur von der Abriebfestigkeit des Materials her sondern auch aufgrund ihrer festeren Verbundenheit mit dem Zahn eine wesentlich höhere Dimensionsstabilität aufweisen.

Diese Ausführungen lassen die Schlussfolgerung des Sachverständigen überzeugend erscheinen, dass das Behandlungsziel mit dem Einsatz herkömmlicher Aufbaufüllungen gefährdet gewesen wäre, so dass der Einsatz dentinadhäsiver Aufbaufüllungen, obwohl es sich um keine endgültige Versorgung handelt, als medizinisch notwendige Behandlung zu bewerten ist.

Diese Behandlung war gemäß § 6 Abs. 2 durch eine analoge Bewertung nach Ziffer 214 GOZ abzurechnen, und nicht, wie die Beklagte meint, lediglich nach Ziffer 218 GOZ. In seinem ersten Gutachten zur gebührenrechtlichen Bewertung führt der Sachverständige aus, dass die zahntechnischen Arbeiten für eine dentinadhäsive Aufbaufüllung durch chemische Vorbereitung der Zahnsubstanz sowie schrittweises Einbringen des Füllmaterials gegenüber herkömmlichen Aufbaufüllungen, die in einem Zug eingebracht werden, wesentlich aufwendiger und darüber hinaus die verwendeten Materialien bei der dentinadhäsiven Aufbauschichtung wesentlich teurer sind als bei den von Ziffer 218 GOZ erfassten herkömmlichen Aufbaufüllungen.

Es ist daher nachvollziehbar, dass der Sachverständige zu dem Ergebnis kommt, dass Arbeits- und Materialaufwand einer dentinadhäsiven Aufbaufüllung der nach Ziffer 214 GOZ zu berechnenden Maßnahme eher entspricht als einer solchen nach Ziffer 218 GOZ. Da die Praxisreife des Verfahrens der dentinadhäsiven Aufbaufüllung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GOZ – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – nicht gegeben war, ist die gebührenrechtliche Wertung des Sachverständigen, dass diese mit der Leistung in Ziffer 218 GOZ nicht vergleichbare Behandlung gemäß § 6 Abs. 2 GOZ durch analoge Heranziehung einer gleichwertigen Gebührenziffer, hier der Ziffer 214, abzurechnen ist, ebenfalls in sich schlüssig und nachvollziehbar

 

 

Rechtstipp Februar 2009 Eine Einzelzahnlücke – auch wenn eigentlich zwei Zähne fehlen

Eine Einzelzahnlücke – auch wenn eigentlich zwei Zähne fehlen
OVG NRW – Implantat-Zuschuss auch bei aufgewanderten Zähnen

Der pflichtbewusste Beihilfe-Sachbearbeiter zählt sorgsam den Zahnstatus durch und entscheidet: „Es fehlen zwei Zähnen, daher kein Implantat” – obwohl durch Zahnwanderung nur noch eine Einzelzahnlücke besteht. Hierzu eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen.

Allgemeine Information

Die restriktive Front der Implantat-Bezuschussung bei Beihilfestellen bröckelt zusehends.

Eine interessante Entscheidung fällte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (1 A 1171/07, 14.05.2008).

Die Beihilfefähigkeit eines Einzelzahnimplantates 11 war abgelehnt worden, da der Zahn 12 bereits lange fehlte. Die Nachbarzähne waren jedoch soweit aufgewandert, dass anatomisch nun noch eine Einzelzahnlücke mit der Notwendigkeit eines einzelnen Implantates bestand.

Nach fruchtloser Diskussion mit der Beihilfestelle kam es zur Klage, der Patient obsiegte vor dem Verwaltungsgericht Köln wie auch vor dem Oberverwaltungsgericht. Die starre Auslegung der Richtlinie, so das Gericht, sei realitätsfernen, die Lücke, die der Zahn 12 hinterlassen habe, existiere nicht mehr, daher sei de facto eine Einzelzahnlücke vorhanden, auf die die Richtlinie anzuwenden sei.

In der Anlage der zugehörige Textbaustein.

Textbaustein (**** entsprechend individualisieren)

Einzelzahn-Implantat

Im vorliegenden Behandlungsfall

***** ist ein Einzelzahnimplantat zum Ersatz des Zahnes ________ geplant.

****** wurde ein Einzelimplantat zum Ersatz des Zahnes ______ gesetzt.

Rein rechnerisch fehlen hier eigentlich zwei Zähne (__________ und _________); im Laufe der Zeit sind die noch vorhandenen Zähne jedoch soweit aufgewandert, dass anatomisch nur noch eine Einzelzahnlücke besteht; diese Situation lässt sich durch eine Röntgenaufnahme leicht nachweisen. Damit muss nach den Beihilfe-Richtlinien eine Bezuschussung erfolgen.

Der Widerspruch der Beihilfestelle

****** zum Heil- und Kostenplan / zur Liquidation

widerspricht der aktuellen Urteilslage. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 14. Mai 2008 (1 A 1171/07) entschieden, dass die vorliegende Auslegung der Richtlinie realitätsfern sei und nicht der tatsächlichen Gebisssituation entspräche. Faktisch läge nur eine Einzelzahnlücke vor, auf die die entsprechende Richtlinie anzuwenden sei.

Dem folgt, dass vorliegend das Implantat __________ richtliniengemäß als Einzelzahnimplantat zu bezuschussen ist.

 

 

Rechtstipp Januar 2009 Briefanfang und -ende an Patient nach Liquidation -PKV

Schreiben Ihrer Versicherung vom …….

Sehr geehrte ____________

Sie haben mir die Stellungnahme Ihrer Versicherung zu meiner zur Kenntnisnahme und Kommentierung übersandt. Gerne komme ich diesem Wunsch nach. Nach gründlichem Studium teile ich Ihnen folgendes mit: ***************************************************************

Hier kommen jetzt die Textbausteine ***************************************************************

Sehr geehrte ____________,

wie Sie leicht feststellen können, widersprechen die Ausführungen Ihrer Versicherung der amtlichen Gebührenordnung und der aktuellen obergerichtlichen Rechtslage. Leider argumentieren Versicherungen bezüglich der Erstattung häufig wider besseres Wissen, um Kosten zu sparen. Ich hoffe, Ihnen mit den Ausführungen die Korrektheit meiner Liquidation nachgewiesen zu haben und empfehle Ihnen, mit Hilfe dieses Schreibens nachdrücklich eine komplette tarifliche Erstattung zu fordern. Für weitere Hilfen – auch durch die Benennung eines sachkundigen Rechtsanwaltes – stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Rechtstipp Dezember 2008 – GEZ Musterwiderspruch

GEZ Musterwiderspruch

In letzter Zeit häuften sich die Fälle in denen Zahnarztpraxen Gebührenbescheide der GEZ für die Nutzung eines Internet-PC ins Haus flatterten.

Mit anhängendem Widerspruch dürfte sich die Angelegenheit erledigt haben.

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Absender – Praxisstempel

 

vorab perTelefax: 0180 / 55 10 700
An die

Gebühreneinzugszentrale der

öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
in der Bundesrepublik Deutschland (GEZ)

50656 Köln

(Ort, Datum)

 

Ihre [Mitteilung/Zahlungsaufforderung] vom __________, Ihr Zeichen __________

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen die mit Schreiben vom _______, Zeichen :__________, mitgeteilte Gebührenberechnung und –
höhe lege/n ich/wir Widerspruch ein.

Ich/Wir gehe/gehen davon aus, dass es sich bei diesem Schreiben um eine schlichte Mitteilung oder
Zahlungsaufforderung handelt und nicht um einen die Rundfunkgebühr festsetzenden Verwaltungsakt.

Für  den  Fall,  dass  es  sich  bei  dieser  Mitteilung/Zahlungsaufforderung  dennoch  um  einen Verwaltungsakt  handeln  sollte,  erhebe/n  ich/wir  Widerspruch  und  stelle/stellen  gleichzeitig  einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 6 VwGO.

Zur Begründung beziehe/n ich/wir mich/uns auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom   15.
Juli 12008 (Az. 1 K 496/08), wonach Sie eine Gebühr für den internetfähigen PC eines Rechtsanwalts
nicht  erheben  dürfen.  Dieses  Urteil  ist  auf  die  von  mir/uns  betriebene  Zahnarztpraxis  zwanglos
übertragbar.

Ich/Wir rege/n an, das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Sache ruhen zu lassen.

Im  Übrigen  gehe/n  ich/wir  davon  aus,  dass  bis  zur  Entscheidung  über  die  Rechtmäßigkeit  der  Erhebung  einer  Rundfunkgebühr  für  einen  Internet-PC  eine  Zahlungspflicht  nicht  besteht.  Eine
Zahlung wird insoweit nur unter Vorbehalt und unter ausdrücklicher Ablehnung einer Rechtspflicht
erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Unterschrift

 

 

Rechtstipp November 2008 Die Einholung eines neuen Sachverständigengutachten

Die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens

Im Prozess Pflicht, wenn Vorgutachten unvollständig Dr. Susanna Zentai berichtet über ein BGH-Urteil, wonach ein neues Gutachten vorgeschrieben ist, wenn ein Vorgutachten nicht alle prozessrelevanten Fragen gebührend berücksichtigt hat.

Aus: „Spektator“ (Deutscher Ärzteverlag), mit freundlicher Genehmigung.

Kommentierung einer BGH-Entscheidung vom Mai 2008

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte jüngst mit Beschluss vom 06.Mai 2008 (Az. VI ZR 250/07) klar: Im Arzthaftungsprozess hat das Gericht zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts in der Regel einen Sachverständigen einzuschalten. Dies kann im Einzelfall entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sein. Grundsätzlich kann der Richter sich auf ein Gutachten aus einem anderen Verfahren stützen. So zum Beispiel aus einem anderen gerichtlichen, staatsanwaltlichen Verfahren oder einem solchen vor einer Schlichtungsstelle. Der Richter muss aber ein eigenes Gutachten einholen, wenn ein bereits vorliegendes Gutachten nicht alle Fragen beantwortet. Beispiel am Fall Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde, der auf die Zahnheilkunde übertragbar ist: Nach einem Sturz beim Schlittschuhlaufen erlitt die 47-jährige Patienten eine Trümmerfraktur der linken Kniescheibe. Bei der Aufnahmeuntersuchung im Krankenhaus wurde ein Kniescheibenmehrfragmentbruch diagnostiziert und eine konventionelle Behandlung durch Ruhigstellung angeordnet. Wegen der zunehmenden Beschwerden der Patientin erfolgte eine erneute Röntgenuntersuchung, wobei eine deutliche Stufenbildung der Bruchstellen der Kniescheibe festgestellt wurde. Daraufhin wurde die operative Behandlung der Fraktur angeordnet. Das Knie blieb eingeschränkt bewegungsfähig. Die Patientin machte für die Folgen die nur konservative Therapie verantwortlich. Die Operation sei zu spät und fehlerhaft durchgeführt worden. Sie leide nun an einer Chondropathie III. Grades in Form einer ausgeprägten Arthrose des linken Kniegelenks. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen. Bezug genommen wurde auf ein Gutachten, das im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens eingeholt worden war und zu dem Ergebnis kam, die Behandlung sei nicht fehlerhaft gewesen. Diese Entscheidung wurde ausschließlich auf das Gutachten gestützt, das allerdings relevante Fragen offengelassen hatte. Deswegen befand der BGH, dass der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sei und ein neues Gutachten eingeholt werden müsse. Mit dieser Aufgabenstellung wurde die Angelegenheit an die letzte Instanz zurückverwiesen.

Fazit

Es ist üblich, dass Gerichte Gutachten aus Vorinstanzen verwenden und nicht immer ein neues und/oder ergänzendes Gutachten einholen. Dies kann sein bei einem Prozeß, der sich an ein selbstständiges Beweisverfahren oder an ein außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren anschließt. In einem solchen Fall sollte dringend auf die Darlegung und Erläuterung der Punkte Wert gelegt werden, die in dem bereits vorliegenden Gutachten unbeantwortet geblieben sind. Die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens läßt sich selbstverständlich auf Streitigkeiten wegen Gebührenrechts und Honorarforderungen übertragen. Sachverständigengutachten sind dort erforderlich, wo die eigene Sachkunde des Richters nicht ausreicht. Dies ist bei medizinischen Fragestellungen in der Regel der Fall, ungeachtet des konkreten Schwerpunktes.

Dr. Susanna Zentai, Köln Rechtsanwältin