Rechtstipp Juli 2011 PZR nur unter Aufsicht des Zahnarztes

PZR nur unter Aufsicht des Zahnarztes

„Zahnkosmetikerin“ darf keine PZR mit Airflow durchführen

Die Regelungen des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) sind eindeutig. Nach Paragraf 18 Nummer 1 ZHG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne eine Approbation oder Berufserlaubnis als Zahnarzt zu besitzen. Das Amtsgericht (AG) Nürtingen hat sich in seinem Urteil vom 17. März 2011 (Az.: 16 Cs 115 Js 93733/08) mit den Aktivitäten einer „Zahnkosmetikerin“ zu befassen, die Professionelle Zahnreinigungen (PZR) im Airflow-Verfahren durchführte. Es verurteilte sie wegen unerlaubter Ausübung der Zahnheilkunde zu einer Geldstrafe.

Das Amtsgericht (AG) Nürtingen hat sich in seinem Urteil vom 17. März 2011 (Az.: 16 Cs 115 Js 93733/08) mit den Aktivitäten einer „Zahnkosmetikerin“ zu befassen, die Professionelle Zahnreinigungen (PZR) im Airflow-Verfahren durchführte. Es verurteilte die Zahnkosmetikstudiobetreiberin wegen unerlaubter Ausübung der Zahnheilkunde zu einer Geldstrafe.

Der Ausgang dieses Strafverfahrens ist insbesondere für die Abgrenzung zwischen rein kosmetischen Behandlungen und Behandlungen, die einer zahnärztlichen Approbation bedürfen, von besonderem Interesse. Auch in anderen Bereichen, wie der Zahnaufhellung (Bleaching), gibt es zwischenzeitlich gewerbliche Anbieter, die „zahnkosmetische Behandlungen” durchführen. Auch hier kann es durchaus zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, da bestimmte Formen des Bleachings klar unter Zahnarztvorbehalt stehen. So darf ein sogenanntes internes Bleaching (Einführung des Bleichmittels durch eine Zugangskavität) und externes Bleaching ab einer bestimmten Bleichmittelkonzentration nur durch approbierte Zahnärztinnen und Zahnärzte erbracht werden.

In dem der Entscheidung des AG Nürtingen zugrundeliegenden Fall führte eine ausgebildete Zahnmedizinische Fachassistentin in ihrem Zahnkosmetikstudio Behandlungsmaßnahmen der ästhetischen Zahnheilkunde mit einem Airflow-Pulverstrahlgerät durch. Konkret wurde der Betreiberin des Zahnkosmetikstudios vorgeworfen, diese Behandlungsmaßnahmen in drei Fällen durchgeführt zu haben, ohne die Zahnheilkunde auszuüben beziehungsweise auf Anordnung eines berechtigten Zahnarztes im Wege der Delegation zu handeln.

Das AG Nürtingen kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Zahnkosmetikstudiobetreiberin durchgeführte Entfernung von Zahnverfärbungen und Zahnbelag unter Verwendung eines Airflow-Geräts den Straftatbestand der Paragrafen 18 Nr. 1, 1 Absatz 1, Absatz 3 ZHG erfüllt, da es sich um die Ausübung von Zahnheilkunde handelt.

Einer Straftat nach Paragraf 18 Nr. 1, 1 Abs. 1, Abs. 3 ZHG mache sich nur schuldig, wer im Geltungsbereich des ZHG die Zahnheilkunde dauernd ausübe, ohne eine Approbation oder Berufserlaubnis zu besitzen. Die Zahnreinigung im Airflow-Verfahren sei Ausübung der Zahnheilkunde und unterfalle damit dem normierten Zahnarztvorbehalt. Bei der Verwendung von Luft-Pulver-Wasserstrahlgeräten würden kleinste Pulverpartikel verschiedener Stoffe (Salze, Metalle) mit Wasser von einem starken Luftstrom transportiert und konstruktionsbedingt an der Austrittsdüse beschleunigt. Beim Auftreffen dieser Teilchen auf die Oberfläche des Zahns führe diese Bewegungsenergie zu einem Substanzabtrag von Belägen auf dem Zahn und von Zahnhartsubstanz.

Sinn und Zweck des Zahnarztvorbehalts sei es, die berufsmäßige Behandlung und Erkennung von Krankheiten im Mund- und Kieferbereich sowie die dazugehörige Prophylaxe zum Schutz der Patienten vor Schäden durch fehlerhafte Beratung und Behandlung durch entsprechend qualifiziert ausgebildete Ärzte durchführen zu lassen. Die Normierung dieses strikten Zahnarztvorbehalts diene darüber hinaus auch dem Schutz der Volksgesundheit und dem Schutz der Gesellschaft vor finanziellen und volkswirtschaftlichen Folgeschäden, welche durch unsachgemäße Behandlungen durch nicht entsprechend ausgebildete Personen entstehen können.

Der Gesetzgeber habe nicht beabsichtigt, durch die Einführung des Paragrafen 1 Absatz 5 ZHG (Anm.: Möglichkeit der Delegation an qualifiziertes Personal), das zuvor bestehende Schutzniveau für den Patienten durch die Zuweisung aller individualprophylaktischer Tätigkeiten an den Zahnarzt abzusenken. Dies ergebe sich aus der amtlichen Begründung zur Einführung des Paragrafen 1 Absatz 5 ZHG, wonach davon ausgegangen werde, dass es unter fachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich sei, alle Leistungen an Patienten nur von approbierten Zahnärzten durchführen zu lassen, es jedoch erforderlich sei, dass die Tätigkeit nicht approbierten Personales jederzeit vom Zahnarzt kontrolliert und überwacht werden.

Von der diagnostischen Tätigkeit, welche allein dem Zahnarzt vorbehalten bleibe, könne die rein mechanische Tätigkeit der Zahnreinigung nicht getrennt werden. Entscheidend in diesem Zusammenhang sei nicht, ob die rein mechanische Tätigkeit der Zahnreinigung ausschließlich kosmetische Zwecke verfolge. Maßgeblich sei die Erkenntnis, dass auch Eingriffe, die zu ästhetischen Zwecken vorgenommen würden, gesundheitliche Schädigungen verursachen können und daher dem Schutzzweck des ZHG unterfallen.

Die professionelle Zahnreinigung im Rahmen des Airflow-Verfahrens führe nach den anschaulichen und nachvollziehbaren Ausführungen des zugezogenen Sachverständigen auf kariesfreiem Zahnschmelz zu keinen Beschädigungen der Schmelzoberfläche. Einschränkungen würden sich insoweit jedoch in Bezug auf Zahnschmelz mit einer initialen Demineralisation ergeben, welcher durch die Bearbeitung mit Wasser-Pulverstrahlgeräten so beschädigt werden könne, dass eine Remineralisation nicht mehr möglich sei. Bei Patienten mit hohem Plaqueaufkommen und Remineralisation dürften Beläge auf den Zähnen nicht primär mit einem Wasser-Pulverstrahlgerät entfernt werden. Um dies zu erkennen, seien medizinische Kenntnisse erforderlich. Darüber hinaus handele es sich bei einer irreversiblen Demineralisation des Zahnschmelzes um einen erheblichen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten mit der Folge, dass die Tätigkeit grundsätzlich dem Zahnarztvorbehalt unterfalle.

Am Anfang eines zu delegierenden Prophylaxefalls würde immer Diagnose und Anordnung entsprechender Maßnahmen aufgrund einer allein dem Zahnarzt vorbehaltenen Ermessensentscheidung stehen. Im Rahmen der Therapieplanung könne der Zahnarzt sodann prophylaktische Leistungen an entsprechend qualifiziertes Personal delegieren, wobei die jederzeitige Kontrolle gewährleistet sein müsse. Dass die Angeklagte vor Durchführung der Airflow-Behandlung gegebenenfalls verlangt habe, dass vor der Behandlung eine zahnärztliche Kontrolle stattgefunden hat, genüge nicht.

Die Zahnkosmetikstudiobetreiberin konnte sich auch nicht mit ihrem Argument durchsetzen, dass unter anderem das Zähneputzen mittels einer Zahnbürste bei dieser Auslegung nach dem ZHG strafbar sein würde. Nach Auffassung des AG Nürtingen sind die bei einer Behandlung der Zähne im Airflow-Verfahren potenziell möglichen Folgeschäden an den Zähnen der Patienten nicht mit „Zähneputzen“ vergleichbar, da bei diesem Verfahren ein vielfach höherer Druck auf die Zähne ausgeübt wird

Das AG Nürtingen verurteilte die Zahnkosmetikstudiobetreiberin wegen dreier Vergehen der unerlaubten Ausübung der Zahnheilkunde zu einer Gesamtgeldstrafe von 15 Tagessätzen à 20 Euro. Als strafmittelmildernd wurde unter anderem berücksichtigt, dass die Angeklagte eine einschlägige Berufsausbildung und langjährige Berufsausführung hatte und den Patienten/Kunden letztlich kein gesundheitlicher Schaden entstanden war.

Mit seiner Entscheidung stellt das AG Nürtingen unmissverständlich fest, dass der Zahnarztvorbehalt kein Selbstzweck ist, sondern dem Schutz der Patienten dient. Es kann nicht angehen, dass in sogenannten „Zahnkosmetikstudios“ Zahnheilkunde betrieben wird. Diese Entscheidung wird dazu beitragen, dass es sich „Zahnkosmetikstudiobetreiber“ sehr genau überlegen werden, welche Leistungen sie anbieten. Zur Vermeidung von strafrechtlichen Konsequenzen werden sie sich auf rein kosmetische Leistungen beschränken müssen. Hierbei darf es auch bei den eingangs erwähnten „Bleaching-Maßnahmen“ keine Grauzonen geben.

RA Michael Lennartz, Bonn

 

 

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