Rechtstipp Oktober 2010 Das ärztliche Aufklärungsgespräch im Wandel der Technik

Das ärztliche Aufklärungsgespräch im Wandel der Technik

Vieles ist einfacher geworden. Die korrekte Aufklärung vorab invasiver medizinischer Eingriffe ist ein immer heisseres Thema. Vor allem die zunehmende Zahl von Patientenanwälten forscht nach diesbezüglichen Versäumnissen des Behandlers, um Schadenersatzforderungen durchzudrücken. Hier ein interessanter Aufsatz aus der Kanzlei Ratajczak und Partner, Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

Die Verwendung, der Zweck und der Nutzen von Aufklärungsbögen im Rahmen eines ärztlichen Eingriffs werden in nahezu jedem Arzthaftungsfall diskutiert. Die Rechtsprechung hierzu scheint mittlerweile gefestigt zu sein und doch gibt es technische Möglichkeiten, die bislang nicht in den Urteilen des Bundesgerichtshofes für Zivilsachen aufgetaucht sind. Das Aufklärungsgespräch Die Aufklärung des Patienten muss mündlich in einem Gespräch erfolgen, wie es der Bundesgerichtshof für Zivilsachen wiederholt entscheiden hat. Technisch gesehen kann es in einfachen Fällen jetzt sogar genügen, dass der Arzt den Patienten in einem Telefongespräch über die Risiken aufklärt, wenn dieser damit einverstanden ist. Denn auch in einem Telefonat kann sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient die Informationen verstanden hat und er hat die Gelegenheit, individuelle Fragen zu stellen. Darüber hinaus bleibt es dem Patienten unbenommen, um ein persönliches Gespräch zu bitten (BGH Urt. v. 15.06.2010, Az.: VI ZR 204/09, 15 min. Telefongespräch über Anästhesie). Das Gespräch ist in einem dem Patienten verständlichen Sprachstil zu führen. Spricht ein Arzt zu schnell, undeutlich und gerade zu staccato, ist davon auszugehen, dass der Patient dem Informationsfluss nicht folgen konnte, so dass kein Aufklärungsgespräch als Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung vorliegt (LG Köln Urt. v. 09.04.2008, Az.: 25 O 72/05). Demgegenüber erfüllt eine rein schriftliche Aufklärung nach wie vor nicht die Erfordernisse einer umfassenden Information des Patienten. Das Aufklärungsgespräch wird nicht durch das Aushändigen von Merkblättern oder Aufklärungsbögen ersetzt. Denn der Arzt kann nicht darauf vertrauen, dass der Patient den Inhalt des Aufklärungsbogens tatsächlich zur Kenntnis genommen und verstanden hat, so dass er dies in einem Gespräch klären muss (OLG Oldenburg Urt. v. 27.02.2009, Az.: 5 U 43/08). In diesem Rahmen sind die Aufklärungsbögen lediglich ein Indiz dafür, dass die Aufklärung nach Maßgabe der schriftlichen Bestätigung stattgefunden hat (OLG Oldenburg Urt. v. 02.11.2005, Az.: 5 U 69/05). Dabei schadet es nicht, wenn die handschriftlichen Vermerke unleserlich sind, weil es nur darauf ankommt, dass dem Patienten in dem Aufklärungsgespräch die Gelegenheit gegeben wurde, individuelle Fragen zu stellen (BGH Urt.v.15.06.2010, Az.: VI ZR 201/09). Inhalt des Aufklärungsgespräches Im Aufklärungsgespräch soll dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden. Der Arzt muss das Aufklärungsbedürfnis, Aufklärungswunsch, die Anamnese und die Persönlichen Verhältnisse des Patienten ermitteln, soweit das im Rahmen des Arztgesprächs zumutbar ist (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73; Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Der Grad der erforderlichen Aufklärung über mögliche unerwünschte Folgen richtet sich nach der allgemeinen Erkenntnisfähigkeit des Patienten und seiner Krankengeschichte (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78; VersR 1961, 1036,). Steht der Patient der Materie nicht ganz fremd gegenüber, kann ihm zugemutet werden, von sich aus Fragen zu stellen und so auf eine vollständige Belehrung hinzuwirken, falls diese ihm zu unvollständig erscheint (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73). Der Arzt darf die Fragen nie unrichtig oder irreführend beantworten und muss auch berücksichtigen, dass die Patienten durch eine situationsbedingte Befangenheit davon abgehalten werden, Umstände zu erfragen, die für sie ersichtlich von Interesse sein können und daraufhin entsprechend aufklären (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Es ist nicht erforderlich, dass die Risiken medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen mitgeteilt werden (BGH Urt. v. 14.03.2006, Az.: VI ZR 279/04). Der Arzt muss dem Patienten die Risikohäufigkeit bzw. Komplikationsdichte nicht nach statistischen Größen beziffern (BGH Urt. v. 07.04.1992, Az.: VI ZR 216/91). Auf Nachfrage oder bei erkennbarem Interesse des Patienten an weiteren Informationen, kann eine verbale Einordnung als relativ häufiges, seltenes oder sehr seltenes Risiko erforderlich, aber auch ausreichend sein (OLG Naumburg Urt. v. 14.02.2008, Az.: 1 U 66 /07). Handelt es sich um einen Eingriff, welcher sowohl nach seinem Verlauf als auch hinsichtlich seines Schweregrades wegen seiner Häufigkeit der Allgemeinheit in besonderem Maß vertraut ist (Blinddarmoperation) kann sich der Arzt bei der Aufklärung über Natur und Risiko dieses Eingriffs im allgemeinen kurz fassen. Er muss sich indes davon überzeugen, dass der Patient nicht irrig davon ausgeht, dass dieser Eingriff wegen seiner Alltäglichkeit ganz ungefährlich ist (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Ein äußerst seltenes Risiko, das die Lebensführung des Patienten schwer belasten würde und dessen Eintritt für den Laien überraschend ist, ist hingegen stets aufklärungspflichtig (BGH Urt. v. 18.11.2008, Az.: VI ZR 198/07). Bei einer dauerhaften Schädigung, kann der Arzt nicht ohne weiteres erwarten, dass der Patient die verwendeten Begrifflichkeiten im Aufklärungsbogen versteht und die richtigen Schlüsse daraus zieht. Deswegen muss er sich mündlich und ungefragt vergewissern, dass dem Patienten das Risiko einer irreversiblen Schädigung bewusst ist (OLG Stuttgart, Urt. v. 15.05.1997, Az.: 14 U 21/96). Mitverschulden des Patienten bei der Aufklärung Bei den Angaben über die persönlichen Verhältnisse kann den Patienten ein anspruchsminderndes Mitverschulden gemäß § 254 Absatz 1 BGB treffen, wenn durch sein Verhalten ein falsches Bild über das Aufklärungsbedürfnis entstanden ist und ihn der Arzt aus diesem Grund nicht gründlich genug aufgeklärt hat. Das ist anzunehmen, wenn der Patient den Anschein erweckt, dass er mit den medizinischen Gegebenheiten vertraut ist und er die Risiken kennt oder ihm diese gleichgültig sind und/ oder eine unvollständige oder falsche Auskunft über persönliche Verhältnisse angibt, von denen er wusste oder bei denen er erkennen konnte, dass sie für den Aufklärungsumfang bedeutend waren (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73; Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Resümee Die Rechtsprechung hat sich den technischen Möglichkeiten schon insoweit angepasst, dass ein Telefongespräch in einfachen Fällen als ausreichend angesehen werden kann. Die daraus folgende Zeitersparnis vermag indes nicht die damit verbundenen Beweisschwierigkeiten aufzuwiegen. Darlegungs- und beweispflichtig für die erfolgte richtige und vollständige Aufklärung ist der Arzt (BGH Urt. v. 07.04.1992, Az.: VI ZR 216/91; OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.2003, Az.: 7 U 6/02). Kann er sich nicht mehr an das Aufklärungsgespräch erinnern und ist das sich realisierende Risiko weder im Aufklärungsbogen noch in der Patientenkartei beschrieben, hat er den von ihm zu führenden Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung regelmäßig nicht erbracht (OLG Koblenz Urt. v. 1.4.2004, Az.: 5 U 1086/03). Im Gegensatz dazu rechtfertigt der von dem Patienten unterzeichnete Aufklärungsbogen mit handschriftlichen Vermerken die Annahme, dass der Arzt mit dem Patienten über die Risiken des Eingriffs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesprochen hat (OLG Köln Urt. v. 27.05.2002, Az.:5 U 78/96; BGH Urt. .v. 08.01.1985, Az.: VI ZR 15/83). Insbesondere lässt sich dort auch der Eindruck von dem Patienten in Hinblick auf sein Aufklärungsbedürfnis bezüglich der von ihm gemachten Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen fixieren, die gegebenenfalls ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Patienten an einer unzulänglichen Aufklärung begründen. Die Haftung wegen eines Aufklärungssäumnisses kann mangels eines Verschulden des Arztes sogar gänzlich ausscheiden, wenn der Patient vorinformiert ist, weil er einen Aufklärungsbogen weniger als vier Monaten in Besitz hatte, die Passage unterschrieb, wonach er alles gelesen und verstanden hat und ein mündliches Aufklärungsgespräch stattfand, dessen individuelle Details handschriftlich von dem Arzt vermerkt wurden (OLG Koblenz Urt. v. 12.06.2008, Az.: 5 U 1630/07).

Dr. Henrike John, Sindelfingen

john@rpmed.de
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