Rechtstipp Februar 2011 Oberlandesgericht München gegen Zahnarztpraxis Ltd.

Oberlandesgericht München gegen „Zahnarztpraxis Ltd.“

Keine Eintragung für deutsche Zweigniederlassung in Handelsregister –

Das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigt in einem Beschluss vom 1. Juli 2010, Az.: 31 Wx 088/10, dass eine deutsche Zweigniederlassung einer Private Limited Company englischen Rechts (Ltd.) mit der Firmierung „Zahnarztpraxis Ltd.“ nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann.

Die Private Limited Company (Ltd.) ist eine Gesellschaftsform nach britischem Gesellschaftsrecht, die sich eine Zeit lang einiger Beliebtheit in Deutschland erfreute. Sie ist ihrer Konstruktion nach mit der seit dem 1. November 2008 im deutschen Gesellschaftsrecht als Reaktion auf diese Beliebtheit neu eingeführten „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ beziehungsweise „UG (haftungsbeschränkt)“ mit einem Mindeststammkapital von einem Euro (Paragraf 5a GmbHG [Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung]) vergleichbar. Das Mindest-Nominalkapital der Ltd. liegt bei einem Pfund (GmbH dagegen mindestens 25.000 Euro – Paragraf 5 GmbHG). Seit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit in den Fällen Centros (9. März 1999, Az.:C-212/97), Überseering (5. November 2002, Az.: C 208/00) und Inspire Art (30. September 2003, Az.: C 167/01) können innerhalb der EU unter bestimmten Voraussetzungen auch Gesellschaftsrechtsformen anderer EU-Mitgliedsländer eingesetzt werden. Im Bereich der Heilberufe allerdings ist die Rechtsform einer juristischen Person – wie der Ltd. – in Deutschland je nach Landesrecht überhaupt nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Unter „Firma“ versteht das deutsche Handelsrecht abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch den Namen, unter dem ein handelsgewerbliches Unternehmen (= Kaufmann) seine Geschäfte betreibt und unter dem es klagen und verklagt werden kann (vgl. Paragraf 17 Handelsgesetzbuch [HGB]). Die Eintragung von gewerblichen Unternehmen in das öffentliche, von den Gerichten elektronisch geführte Handelsregister unter ihrer Firma und mit der zutreffenden Angabe ihrer wichtigsten Rechtsverhältnisse dient der Offenlegung ihrer Zuge-hörigkeit oder gegebenenfalls Nicht-Zugehörigkeit zum Handelsstand (Publizität) sowie dem Verkehrsschutz. Es ist Aufgabe des Registergerichts, die förmlichen und materiellen Voraussetzungen für die Eintragung zu prüfen. Im vorliegenden Fall ging es um die Eintragung der Münchener Zweigniederlassung einer im Handelsregister von Cardiff mit dem Firmennamen „Zahnarztpraxis Ltd.“ eingetragenen Gesellschaft. Das Amtsgericht (AG) München hatte die Eintragung abgelehnt (Beschluss vom 22. März 2010, Az.: 31 AR 8023/09). Die Gesellschaft trug im Beschwerdeverfahren vor, sie betreibe ein Büro in München mit zwei Angestellten. Unternehmensgegenstand sei die Erbringung von Serviceleistungen gegenüber zahnmedizinischen Berufen, insbesondere Organisation, Abrechnung und Verwaltung. Das OLG München wies die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Münchens zurück. Das OLG München wendet auf die Eintragung der Zweigniederlassung deutsches Recht an und folgt damit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH; vgl. BGH, 7. Mai 2007, Az.: II ZB 7/06). Für die Zulässigkeit des Firmennamens seien deshalb die Bestimmungen des Paragraf 18 HGB zur Unterscheidbarkeit einzelner Firmen und zum Schutz des Rechtsverkehrs vor Irreführung entscheidend. Bloße Branchen- und Gattungsbezeichnungen wie hier „Zahnarztpraxis“ erfüllten die erforderliche Inidividualisierungsfunktion der Firma nach Paragraf 18 Absatz 1 HGB nicht und widersprächen gleichzeitig dem Freihaltebedürfnis des Rechtsverkehrs. „Zahnarztpraxis“ sei eine schlichte Gattungsangabe, der sowohl die Eignung zur Kennzeichnung als auch die Unterscheidungskraft fehle. Im Hinblick auf den Grundsatz der Firmenwahrheit in Paragraf 18 Absatz 2 HGB erwecke die Firma „Zahnarztpraxis Ltd.“ den Eindruck, eine Zahnarztpraxis zu betreiben, während sie tatsächlich nur Dienstleistungen für Zahnarztpraxen anbiete. Darin liege eine Irreführung über wesentliche geschäftliche Verhältnisse. Die Irreführung werde nicht durch den Rechtsformzusatz „Ltd.“ beseitigt, da dieser Zusatz über die tatsächliche Tätigkeit der Zweigniederlassung nicht das Geringste aussage und deshalb nicht geeignet sei, die Täuschung zu beseitigen. Es dränge sich hier für denjenigen, dem die für Heilberufe geltenden Einschränkungen bei der Wahl der Rechtsform bekannt seien, allenfalls die Annahme auf, es werde möglicherweise unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften eine Zahnarztpraxis betrieben. Im Übrigen könne diese rechtliche Kenntnis bei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht vorausgesetzt werden, weil die rechtlichen Regelungen für die Ausübung von Heilberufen in den einzelnen Landesgesetzen unterschiedlich ausgestaltet seien. Die Eintragung der Zweigniederlassung einer in Cardiff eingetragenen Ltd. in das deutsche Handelsregister betrifft die in der EU als sogenannte Grundfreiheit grenzüberschreitend geschützte Niederlassungsfreiheit nach Artikel 43, 48 EGV. Die Entscheidung des OLG München führt aber nicht zu einer Verletzung dieser EU-Grundfreiheit. Denn die Umsetzung der handelsrechtlichen Bestimmungen zur Individualisierungsfunktion und zur Firmenwahrheit rechtfertigt nach zutreffender Auffassung des OLG München einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit. Der Schutz des Rechtsverkehrs vor Täuschung und Missbrauch sowie das Interesse anderer Unternehmensgründer an der Freihaltung von Allgemeinbegriffen stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar. Die Entscheidung des OLG München folgt damit der Linie des BGH (vgl. BGH, 7. Mai 2007, Az.: II ZB 7/06). In Ausgestaltung der genannten EuGH-Rechtsprechung rechtfertigt der BGH Eingriffe in die Niederlassungsfreiheit unter anderem mit dem Schutz der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit und der Lauterkeit des Handelsverkehrs.

 

 

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